Eltern streiten um Kitaplatz
Mangel an Betreuungsmöglichkeiten beschäftigt immer häufiger Leipziger Gerichte
Kinder bilden im vergreisenden Deutschland - ein Land, das seit 17 Jahren von kinderlosen Regierungschefs regiert wird - nicht nur das höchste Armutsrisiko. Sie erweisen sich zunehmend auch als Tummelwiese für Juristen aller Couleur. Das zeigen nicht nur die momentanen Schlichtungen im Tarifstreit der Kita-Erzieherinnen. Denn egal, wie diese ausgehen, ziehen wohl neue Rechtsstreitigkeiten am familienpolitischen Horizont auf.
Nicht selten findet sich die Stadt Leipzig auf der Anklagebank wieder, obwohl - oder besser: gerade weil - sie zu den fruchtbarsten Metropolen der Republik zählt. Immerhin fehlen hier laut Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) momentan 400 Betreuungsplätze für die jüngsten Einwohner. Zwar seien seit Jahresbeginn 1310 Plätze neu entstanden, zudem baue man derzeit an 17 weiteren Einrichtungen. Doch zum einen entspreche deren Verteilung im Stadtgebiet nicht immer dem Bedarf junger Eltern und zum anderen, so räumt der Dezernent ein, hinke gerade bei Krippen das Baugeschehen der Geburtenrate hinterher.
Dabei ist Leipzig gut beraten, hier zusätzlich Druck zu machen. Denn gleich drei bundesweit bedeutsame Urteile in Sachen Kinderbetreuung nahmen in der Messestadt ihren Anfang. So erstritt 2014 eine alleinerziehende Leipzigerin als erste deutsche Mutter einen Betreuungsplatz für ihre dreijährige Tochter vor Gericht. Die Kammer, die sich dabei auf den seit August 2013 geltenden Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz berief, ermöglichte es jungen Eltern somit, beim Jugendamt als »Anspruchsberechtigte« auftzureten, statt länger als Bittsteller, die man hinhalten und abwimmeln kann.
Und es kann auch richtig teurer werden für eine Stadt, wenn sie jene, die ihr den erhofften Bevölkerungszuwachs ermöglichen, im Regen stehen lässt. Das zeigte ein anderes wegweisendes Urteil vor einigen Wochen im Landgericht Leipzig. Es hatte die Stadt verurteilt, drei Elternpaaren, die nicht rechtzeitig einen Kitaplatz erhalten hatten, den entgangenen Verdienstausfall zu ersetzen. Insgesamt handelte es sich um gut 15 000 Euro plus Zinsen. Allerdings ging die Stadt in Berufung, so dass der Fall beim Oberlandesgericht in Dresden nun eine nächste Runde erfährt.
Dennoch sieht der Leipziger Anwalt Klaus Füßer, der die Eltern in diesem bundesweiten Musterprozess vertrat, nun für alle Betroffenen in vergleichbarer Lage bessere Chancen, erfolgreich zu klagen. Und dies nicht nur, um Verdienstausfall zu begegnen. Auch die Kosten für eine alternative private Betreuung - weil die Kommune keinen Kitaplatz bereit stellte - können sich die Eltern nun leichter zurückholen. Das entschied bereits 2014 das ebenfalls in Leipzig beheimatete Bundesverwaltungsgericht. Im konkreten Fall bekam so eine junge Mutter 2200 Euro von der Stadt Mainz erstattet.
Ausgerechnet der jüngste vierwöchige Kitastreik beschert den betroffenen Kommunen nun jedoch einen unerwarteten Geldsegen. Denn die Personalkosten, die an die kämpferischen ErzieherInnen weniger zu zahlen waren, bezifferte etwa Leipzigs Stadtsprecher Matthias Hasberg auf »eine halbe bis eine Million Euro«. Je Streiktag seien dies 55 000 Euro gewesen. Doch die offensichtliche Kehrseite könnte schon bald wieder die Justiz auf den Plan rufen. Denn viele Eltern verlangen nun für jene Streikwochen auch die ihrerseits bereits gezahlten Kitabeiträge zurück. Selbst wenn man in Leipzig diesbezüglich schon Kompromisssignale aussandte, liegt noch viel Misstrauen in der Luft. »Die geben uns doch nicht freiwillig Geld wieder«, unkt eine junge Mutter aus der Südvorstadt. Und falls doch, werde sie »dreimal genau nachrechen« und notfalls sofort ihnen Anwalt bemühen.
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