Fürs würdevolle Sterben fehlt noch Geld

Bundestag beriet über Regelungen zur Begleitung am Lebensende in Krankenhäusern, Pflegeheimen und zu Hause

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Gesetz soll die Hospiz- und Palliativversorgung in der Bundesrepublik verbessern. Das entspricht den Bedürfnissen der Menschen, doch zahlreiche Kritiker finden den Entwurf nicht ausreichend.

Viele Menschen blicken besorgt auf das Lebensende, erfuhr die Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege in einer repräsentativen Umfrage. Jeder Fünfte, der bereits einen Sterbenden begleitet hat, bezeichnet die Versorgung als schlecht. 92 Prozent der Befragten wollen über Maßnahmen in der Behandlung und Pflege selbst entscheiden können, wollen beim Abschiednehmen die Familie an der Seite haben. Doch das ist vielfach nicht gegeben. Rund die Hälfte der Sterbenden - das sind über 400 000 Menschen im Jahr - erlebt den Tod im Krankenhaus. »Doch nur 15 Prozent der bundesweit 2000 Krankenhäuser verfügen über Palliativstationen«, sagt Lukas Radbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP). Die Palliativmedizin zielt darauf ab, sterbenskranken Menschen die letzte Lebensphase erleichtern - insbesondere durch Schmerztherapien, aber auch durch psychosoziale Betreuung. Die DGP bemängelt auch die fehlende Ausbildung derjenigen, die Menschen in Heimen und Kliniken beim Sterben begleiten, die wenigen Hospize und deren ungenügende finanzielle Basis.

Der Ausbau von Palliativ- und Hospizversorgung sowohl im häuslichen als auch im stationären Bereich, wie ihn die Bundesregierung vorhat, reagiert folglich auf dringende Bedürfnisse der Menschen. Der Entwurf aus dem Gesundheitsministerium sieht vor, dass die Palliativversorgung ausdrücklicher Bestandteil der Regelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung wird. Niedergelassene Ärzte und Krankenkassen sollen zusätzlich vergütete Leistungen vereinbaren. In ländlichen Regionen wolle man den weiteren Ausbau der sogenannten spezialisierten ambulanten Palliativversorgung beschleunigen, in dem die Vertragsverhandlungen mit den Kassen vereinfacht werden. Die finanzielle Ausstattung stationärer Hospize für Kinder und Erwachsene soll besser werden. Momentan unterdurchschnittlich finanzierte Hospize sollen von den gesetzlichen Krankenkassen einen höheren Tagessatz je betreutem Versicherten erhalten. Er steigt von 198 Euro auf rund 255 Euro. Die Krankenkassen würden künftig 95 Prozent der zuschussfähigen Kosten einer solchen Einrichtung tragen. Die Beibehaltung eines Eigenanteils soll dem Wunsch der Hospizverbände Rechnung tragen, ehrenamtliche Hospizarbeit weiter möglich zu machen. Bei den Zuschüssen für ambulante Hospizdienste sollen künftig neben den Personalkosten auch die Sachkosten berücksichtigt werden, beispielsweise die Fahrtkosten der ehrenamtlichen Mitarbeiter.

Die Krankenkassen werden zur Beratung der Versicherten bei der Auswahl verschiedener Leistungen der Palliativ- und Hospizversorgung verpflichtet. Alles in allem muss die Gesetzliche Krankenversicherung mit Mehrausgaben in Höhe eines unteren bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrages pro Jahr rechnen, wenn die Pläne Gesetz werden.

Alles schön und gut, wie verschiedene Sozialverbände finden, doch ein Meilenstein hin zu einer besseren Betreuung Schwerstkranker, wie es vollmundig aus dem Gesundheitsministerium heißt, dürfte der Entwurf noch nicht sein. Pflegeexpertin Pia Zimmermann von der Bundestagsfraktion der LINKEN kritisiert unter anderem eine Ungleichbehandlung der sterbenden Menschen in Hospizen und stationären Pflegeeinrichtungen. Diese Zwei-Klassen-Medizin müsse beendet werden, forderte sie. Elisabeth Scharfenberg (Grüne) fehlt es an gut ausgebildetem Personal, Diakonie-Präsident Ulrich Lilie an mehr allgemeiner palliativer Pflege in Altenheimen: »Nur so können wir den Menschen die Angst vor einem langen qualvollen Sterben nehmen.« Dafür brauche man allerdings weitaus mehr Geld, als es die Bundesregierung derzeit investieren wolle.

Das sehen auch Sozialverband und Caritas so. Caritas-Präsident Peter Neher kritisiert, dass ambulante Hospizdienste zwar künftig besser finanziell ausgestattet werden sollen, aber nicht festgelegt sei, in welcher Höhe: »Das schafft bei den ambulanten Hospizdiensten keine ausreichende Planungssicherheit.« Die Stiftung Patientenschutz hat nachgerechnet, ob die Gesetzesvorlage aus dem Hause von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ausreicht, um für rund 535 000 bedürftige Menschen qualifizierte Sterbebegleitung im letzten Lebensjahr zu ermöglichen, und kam zu dem Schluss, die vorgesehenen Mittel reichten allenfalls für 90 000 von ihnen. Im November soll das Gesetz verabschiedet werden, nicht zufällig ungefähr zeitgleich mit der umstrittenen Neuregelung des assistierten Suizids. Kommentar Seite 4

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