Gesundheitsrisiko TTIP
Freihandelsabkommen könnte Rückschritte bei medizinischen Studien bedeuten
Wird das Freihandelsabkommen TTIP die Gesundheitsversorgung in Deutschland verändern oder gar gefährden? Werden Medikamente teurer oder schlecht geprüfte Mittel die europäischen Märkte überschwemmen? Mögliche Auswirkungen des Abkommens in diesem Bereich sind bisher wenig beleuchtet. Mit einer Veranstaltung am Sonnabend in Berlin versuchte der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VDPP), Klarheit zu schaffen.
Die TTIP-Verhandlungen laufen im Geheimen, selbst die Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) in Deutschland haben nur wenige Informationen über ihren Inhalt. Konkret, so Johannes Eisenbarth vom GKV-Spitzenverband, wüsste man schon gern, was in Sachen Sozialversicherungen, Arzneimittel und Medizinprodukte sowie zu Ärzten und Krankenhäusern hinter verschlossenen Türen gesprochen wird. Bezüglich des britischen Gesundheitswesens hatte die EU-Kommission negative Auswirkungen in der Vergangenheit ausgeschlossen. Auch davon, die Daseinsvorsorge generell auszunehmen und vom »Schutz öffentlicher Monopole« war die Rede. Andererseits ist das Ziel die höchstmögliche Liberalisierung für den Austausch aller Waren und Dienstleistungen. Eisenbarth erläuterte die Haltung der Bundesregierung: Bei den Krankenhäusern sei der US-Konkurrenz zwar der Marktzugang möglich, eine Bedarfsprüfung werde aber vorausgesetzt. Bei den Apotheken hätten nur natürliche Personen, nicht aber Unternehmen und Handelsketten Zugang, gleiches gelte für Hebammen und die Pflege. Noch ließe sich nicht abschließend bewerten, ob die Gesetzlichen Krankenversicherungen betroffen sein könnten, so Eisenbarth - denn auch sie verfolgen kommerzielle Zwecke und befinden sich im Wettbewerb.
Bei aller Geheimhaltung gelang es dennoch, eine Wunschliste der Pharmalobby für die Verhandlungen öffentlich zu machen. Darauf ging Sophie Bloemen vom Commons Network ein. Die Politikwissenschaftlerin verwies darauf, dass die »geleakte« Liste insgesamt den öffentlich geäußerten Positionen der Medikamentenhersteller entspreche, im Detail jedoch problematisch sei. Dazu gehöre die Absicht, Studiendaten nur noch wesentlich eingeschränkter herauszugeben. Damit würde der erfolgte Kurswechsel der Europäischen Arzneimittelagentur hin zu mehr Transparenz wieder unterlaufen. Zudem wünscht die Industrie, dass ihre Stimme bei der Preisfindung und Kostenerstattung - durch die öffentlichen Gesundheitssysteme - gestärkt wird. Außerdem gehe es Big Pharma um eine Harmonisierung beim geistigen Eigentum. Wird hier die Latte nach oben gehängt, behielten patentgeschützte Mittel länger exklusive Rechte, preiswerte Generika kämen später auf den Markt.
Die nach Abschluss der Verhandlungen vorgesehene Folgenabschätzung kommt nach einhelliger Meinung der in Berlin versammelten Apotheker zu spät, denn Nachverhandlungen sind an diesem Punkt nicht vorgesehen. Dann könnte nur noch das gesamte Abkommen gekippt werden. Wie ernsthaft die Wirkungsanalyse durchgeführt wird, liege zudem allein in den Händen der EU-Kommission und der ausführenden Dienststellen. Dieses zusätzliche Defizit war für die Teilnehmer der Veranstaltung in Berlin ein weiteres Argument, das Abkommen insgesamt abzulehnen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.