Rassismus und Konfusion

  • Michael Bartsch
  • Lesedauer: 2 Min.
Seit drei Tagen eskalieren in Freital bei Dresden die Proteste gegen eine Flüchtlingsunterkunft. Beobachter sprechen von pogromartiger Stimmung. Aber es gibt auch Solidarität.

Etwa 19. 30 Uhr trifft am Mittwochabend der erwartete letzte Bus mit 40 weiteren Asylbewerbern vor dem ehemaligen Leonardo-Hotel im sächsischen Freital ein. Vor den Absperrungen protestieren etwa 100 Gegner der Flüchtlingsunterkunft. Später wird ihre Zahl um weitere etwa 60 Personen anwachsen. Sie rufen Sprechchöre wie »Wir wollen keine - Asylantenschweine!«. Hinter der Absperrung begleiten etwa 80 Unterstützer die verstört wirkenden Ankömmlinge, zumeist Frauen mit Kindern auf dem Arm, zum Eingang und helfen, die wenigen Gepäckstücke zu tragen.

Bereits den dritten Abend in Folge ist ein Mob von Asylfeinden vor dem Gebäude in der Kleinstadt unweit von Dresden aufmarschiert. Mit wüsten Formulierungen ruft im Internet die Initiative »Nein zum Heim« zum »Selbstschutz« auf. Wie bei den »Pegida«-Demonstrationen folgen dem zu 90 Prozent junge Männer. Ihre Beschimpfungen gegenüber einem Musiker und bunt gekleideten Pro-Asyl-Demonstranten lassen ihr Niveau erahnen.

Die Flüchtlingsunterstützer innerhalb der Polizeiabsperrung sind ebenfalls zum Teil aus Dresden angereist. Ihre Autos hält die Polizei unter besonderer Beobachtung, nachdem am Vorabend an mehreren Fahrzeugen mit auswärtigen Kennzeichen die Reifen zerstochen wurden. Steffi Brachtel von der Initiative »Weltoffenheit und Toleranz Freital« zeigt teilweise Verständnis für die unmittelbaren Anwohner der Unterkunft, die von der plötzlichen Erweiterung des Heims als Erstaufnahmeeinrichtung am Montag überrumpelt wurden. Die Asylpolitik des von Minister Markus Ulbig (CDU) geführten sächsischen Innenministeriums hält sie für konfus. Eine Einschätzung, die vom anwesenden Kulturbüro Sachsen ebenso geteilt wird wie von den Oppositionsparteien Linke und Grüne. Weil die Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz aus allen Nähten platzt, verteilen die sächsischen Innenbehörden die Flüchtlinge jetzt auch auf andere Orte. Die Landesregierung in Dresden geht mit geschätzten 23 000 Flüchtlingen in diesem Jahr von doppelt so vielen Asylbewerbern aus wie 2014.

Die Szene vor dem mit knapp 400 Flüchtlingen inzwischen voll belegten ehemaligen Freitaler Hotel entwickelt sich im Lauf des Mittwochabends eher zu einem Happening. Zahlreiche Asylbewerber sind auf den Platz gekommen. Manche der vorwiegend aus Syrien stammenden Flüchtlinge quittieren den Hass der Gegenseite mit erstaunlicher Gelassenheit. Das Heim wird rund um die Uhr bewacht. Als es dunkel wird, werfen Asylgegner Flaschen auf die Flüchtlingsunterstützer. epd/nd

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