Die Parade feiert die Ehe für alle

Hunderttausende beim Christopher Street Day / Mehrheit der Berline für volle Gleichstellung Homosexueller

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine politische Forderung prägte den Christopher Street Day ganz besonders: die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.

Die Regenbogenfahne, das freakige Kostüm und der bunt geschmückte Umzugswagen gehörten auch in diesem Jahr zur Pflichtausstattung: Zum Christopher Street Day zogen am vergangenen Samstag rund 3000 Menschen zu Fuß und mit 50 Umzugswagen vor das Brandenburger Tor. Mehr als 500 000 Schaulustige säumten die Route. Die führte traditionell vom Kurfürstendamm zum Brandenburger Tor. Dort wurde Klaus Wowereit die Auszeichnung »Soul of Stonewall«- Award für sein öffentliches Outing im Jahr 2001 überreicht.

Das Motto der Pride Parade: »Wir sind alle anders. Wir sind alle gleich!« Den Startschuss für den Umzug gab der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). »Die Richtung ist klar, die Ehe für gleichgeschlechtliche Partner ist hierzulande nur noch eine Frage der Zeit«, erklärt Müller mit Blick auf die USA, wo das höchste Gericht des Landes am vergangenen Freitag die Homo-Ehe in allen Bundesstaaten für zulässig erklärt hatte. US-Botschafter John B. Emerson, der an der Parade teilnahm, wurde deshalb besonders gefeiert.

Im Nieselregen setzte sich der Zug dann in Bewegung. Harter Techno dröhnte aus den Boxen der Trucks, Drag Queens tanzten. Also alles wie gehabt beim CSD? Nicht ganz. Zum einen fand wieder ein großer, gemeinsamer Umzug statt. Im letzten Jahr hatte Streit unter den Organisatoren zu einer Spaltung und zwei getrennten Umzügen geführt. Zum anderen: Genau genommen war es diesmal gar keine Parade. Offiziell war der Umzug als Demonstration angemeldet. Der CSD soll wieder politisch werden. Weg also vom Image als bloßer Party, mit der sich die Community selbst und das schon Erreichte feiert, und hin zu einer kreativen Straßenaktion mit politischen Statements.

Der vordere Teil des Zugs war für Fußgänger und ihre Botschaften reserviert. Zu lesen waren Sprüche wie: »Homophobie ist heilbar!« oder »Ehe für alle: Mein Ja habt ihr«. Neben der Öffnung der Ehe stand die Flüchtlingsproblematik im Zentrum.. Menschen, die in ihren Heimatländern aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert und verfolgt werden, sollten in Europa Asyl erhalten. »Es muss mehr Aufmerksamkeit für diese Minderheit innerhalb der Minderheit geben«, sagte Kay. Der 25-jährige Student trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift »Refugees Welcome.« Jedes Jahr kommt er zum CSD. »Dies ist ein Tag, an dem man als Teil der Community nicht das Gefühl hat, einer Randgruppe anzugehören.«

Seiner Meinung nach geraten die politischen Forderungen aber häufig in den Hintergrund. »Natürlich finden sich politische Parolen auf dem CSD. Aber diese gehen unter neben den gesponserten Wagen großer Unternehmen.« So nobel deren Teilnahme auch sein mag, letztlich trage sie zur Entpolitisierung bei. Historisch gesehen ist der Tag ein Kampftag der schwul-lesbischen Emanzipationsbewegung. Er führt zurück auf den 28. Juni 1969. In New York kam es damals zu brutalen Polizeirazzien gegen die Homosexuellen-Szene der Stadt. An die kämpferische Tradition möchte auch LINKEN-Landeschef Klaus Lederer anknüpfen: »Deutschland ist ein Entwicklungsland hinsichtlich der Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen.« Um gegen die nach wie vor bestehenden Diskriminierungen zu protestieren, seien Tage wie der CSD genau das Richtige, so Lederer. Die Linkspartei war, wie SPD und Grüne, wieder mit einem eigenen Wagen vertreten.

Während der Konflikt um die Homo-Ehe zwischen SPD und CDU weiterschwelt, haben sich die Berliner längst festgelegt. Die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare stößt auf große Zustimmung. 73 Prozent befürworten sie. Im Ostteil der Stadt fällt die Zustimmung mit 79 Prozent größer aus als im Westteil mit 69 Prozent, so das Ergebnis einer Forsa-Umfrage im Auftrag der »Berliner Zeitung«.

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