Heilsam oder nicht vertretbar?

Bundestagsanhörung zu Hartz-IV-Sanktionen

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales beschäftigte sich am Montag in einer öffentlichen Anhörung mit gleich drei Anträgen zum Thema Hartz IV. Zwei davon kamen von der LINKEN. Im ersten Papier fordert die Fraktion eine »sanktionsfreie Mindestsicherung von 1050 Euro netto im Monat«, weil unterhalb dieser Summe Armut drohe. Antrag Nummer zwei drängt auf eine Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV und Sozialhilfe. Ganz so weit wollen die Grünen nicht gehen. Aber immerhin: In ihrem Antrag plädiert die Fraktion für einen »vorläufigen Stopp von Sanktionen«. Also eine kurze Unterbrechung, die genutzt werden soll, um zu prüfen, welche Sanktionen man beibehalten will. Demnach dürften höchstens zehn Prozent des Regelsatzes gekürzt werden und für unter 25-Jährige sollten die verschärften Sanktionen abgeschafft werden, heißt es im Papier der Grünen.

Die drei Anträge wurden vor dem Hintergrund der heiß diskutierten »Rechtsvereinfachungen im Hartz-IV-System« gestellt. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte entsprechende Reformvorschläge erarbeitet. Vor allem Bayern wehrte sich gegen die darin vorgesehenen Sanktionserleichterungen für unter 25-Jährige. Momentan werden jüngere Leistungsbezieher für Verfehlungen deutlich härter bestraft als ältere. Wer etwa eine angebotene Arbeit oder Ausbildung ablehnt, dem wird der Regelsatz gleich beim ersten Mal um 100 Prozent gekürzt, bei älteren sind es 30 Prozent.

In der gestrigen Anhörung zeigte sich, dass es bei allen Akteuren Konsens ist, die Sanktionen für Unter-25-Jährige zu entschärfen und anzugleichen. Lediglich die Vertreter der Arbeitgeberverbände verwiesen auf die »Anreizwirkung« und den »heilsamen Druck« von Sanktionen. Ivor Paranov von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft lobte das Druckmittel, um so junge Leistungsempfänger zu »gesellschaftlich gewünschten Verhaltensweisen« zu animieren. Etwas kleinlaut musste Christina Ramb von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände einräumen, dass bezüglich der tatsächlichen Erfolge von Sanktionen die Datenlage sehr dünn sei. Die Vertreterin des Deutschen Städtetags wurde da deutlicher: Es gebe »keinen Beleg«, der den hohen Verwaltungsaufwand für die Extrasanktionen für Unter-25-Jährige rechtfertigen würde. Kommunen und Jobcenter wollen die schärferen Sanktionen für jugendliche vor allem aus Kostengründen abschaffen. Die Expertin des Caritasverbandes bezeichnete die Strafen als »nicht vertretbar«, weil sie teilweise »kontraproduktiv« seien. So seien einige der Betroffenen, kriminell und/oder wohnungslos geworden. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Jugendlichen den Kontakt zu Amt und Helfern abbrächen. Rund 21 000 junge Menschen habe man so verloren.

In der Expertenrunde wurde klar, dass es schwer wird, dass Sanktionsregime ganz abzuschaffen. So forderte der DGB-Vertreter zwar einen »grundlegenden Umbau des Sanktionsrechts«, aber nicht dessen Abschaffung. Die Caritas plädierte dafür, zumindest die Kosten der Unterkunft nicht zum Gegenstand von Sanktionen zu machen. Lediglich der Diakonie-Vertreter forderte ein Ende der Strafmaßnahmen und erhielt dafür Applaus von der Zuschauertribüne.

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