»Personalnotstand ist Chefsache«
Charité-Beschäftige zogen am Dienstag vor das Rote Rathaus
Tausende streikende Charité-Beschäftigte aller drei Standorte demonstrierten am Dienstagnachmittag gemeinsam mit zahlreichen Unterstützern vor dem Roten Rathaus. Indem der Protest zum Amtssitz des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller (SPD), getragen wurde, sollte laut der Gewerkschaft ver.di die »politische Spitze der Stadt auf ihre Verantwortung für die Charité hingewiesen werden«. Seit dem 22. Juni befinden sich die Beschäftigten der Charité im unbefristeten Streik. Ver.di fordert eine Mindestbesetzung aller Bereiche. Die jetzigen Bedingungen des Personalnotstandes seien für Patienten und Beschäftigte nicht mehr länger hinnehmbar.
Es ist der erste Streik an einem deutschen Krankenhaus, der nicht für mehr Geld, sondern für mehr Personal geführt wird. Die Arbeitgeberseite hat die Forderungen bisher als nicht finanzierbar abgelehnt. Mit Sprüchen wie »Wir brauchen Pfleger, denn unsere Arbeit macht uns krank!« oder »Früher brannten Hexen, heute brennen wir aus« machten die Kollegen auf zahlreichen selbst gemalten Schildern und Transparenten auf ihre Situation aufmerksam. »Wie kann es sein, dass die Politik einen Zustand hinnimmt, der nicht nur Patienten, sondern auch die Gesundheit der Beschäftigten gefährdet?«, rief eine Sprecherin des Bürgerbündnisses »Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus« den Demonstrierenden zu.
Am Dienstag vergangener Woche hatte es bereits eine Kundgebung der Streikenden vor dem Bundesgesundheitsministerium gegeben. Mit den Protestzügen macht ver.di deutlich, dass auch Bund und Land in der Verantwortung stehen, zur Lösung des Personalnotstandes beizutragen. Dieser betrifft nicht nur die Charité. Nach Berechnungen der Gewerkschaft fehlen bundesweit 162 000 Vollzeitstellen an deutschen Kliniken, allein 70 000 in der Pflege.
Seit vergangenem Donnerstag verhandeln Gewerkschaft und Arbeitgeber an der Charité wieder, der Streik wird ungeachtet dessen fortgeführt. Nach wie vor sei die Streikbeteiligung hoch und die Stimmung entschlossen, wie Arthur Radvilas, Intensivpfleger und Mitglied der Streikleitung, gegenüber »nd« erklärte. Noch immer würden neue Betten zum Streik gemeldet, täglich schließen sich Kollegen dem Streik an. In seiner Rede auf der Demonstration bezeichnete der zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretär Kalle Kunkel die Verhandlungen als »schwer«, gerade weil man sich mit dem gesamten Krankenhaussystem angelegt habe.
Unterdessen reißen die Solidaritätsbekundungen nicht ab. Die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin erklärte am vergangenen Donnerstag, man unterstütze »die Beschäftigten der Charité ausdrücklich«. Trotz der ebenfalls öffentlichen Solidarisierung mit dem Streik durch den Landesvorstand Berlin-Brandenburg der Ärztegewerkschaft Marburger Bund rumort es unter Ärzten. So erklärten gestern 24 Ärzte öffentlich ihren Eintritt in ver.di und fordern weitere Kollegen auf, es ihnen gleichzutun. Diesen Schritt begründeten die Erstunterzeichner des Aufrufs »Mehr von Euch ist besser für uns alle! Solidarität mit den Pflegenden im Streik an der Charité!« damit, dass die Streikenden und ver.di mit der Forderung der Personalbemessung die Interessen aller Berufsgruppen, auch der Ärzte, vertreten würden.
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