»Das Gesamtsystem ist nicht stabil«

Das Bundesfinanzministerium sieht keine Risiken für Deutschlands Banken im Fall eines Grexits

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Deutschlands Geldhäuser haben sich mittlerweile weitgehend aus dem Geschäft mit Griechenland zurückgezogen. Doch einige Risiken bestehen weiterhin.

Das Bundesfinanzministerium bemüht sich, keine Zweifel aufkommen zu lassen, dass deutsche Banken stehen bleiben, falls griechische in den nächsten Tagen ins Wanken geraten würden. »Die Risiken aus der jüngsten Entwicklung in Griechenland sind bedeutend für Griechenland; für das deutsche Finanzsystem bestehen jedoch kaum mehr bedeutsame Ansteckungskanäle. Daher schätzen wir die Risiken als gering ein«, erklärte Staatssekretär Thomas Steffen nach einer Sitzung des Ausschusses für Finanzstabilität am Dienstag. Probleme sehen die Finanzmarktwächter eher im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld.

Der Ausschuss für Finanzstabilität ist noch ein recht junges Gremium. Er wurde im März 2013 als Lehre aus der Finanzkrise ins Leben gerufen. In dem Ausschuss sitzen jeweils drei Vertreter der Bundesbank, des Schäuble-Ministeriums und der Bankenaufsicht BaFin sowie der Vorsitzende der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (ohne Stimmrecht). Die Aufgabe des Ausschusses ist es, die Risikoentwicklung im deutschen Finanzsystem zu beobachten.

Was die staatlichen Finanzmarktspezialisten beruhigt, ist, dass die heimischen Banken sich in den letzten Jahren weitgehend aus Griechenland herausgezogen haben. Dies wird auch der Hauptgeschäftsführer des Privatbankenverbandes, Michael Kemmer, nicht müde zu betonen. Die Risiken für die deutschen Banken seien überschaubar, weil sie in Griechenland »nur noch sehr mäßig engagiert« seien, sagte Kemmer am Dienstag der »Passauer Neuen Presse«. Zwar haben die deutschen Banken noch Forderungen im Wert von rund 19 Milliarden Euro in Griechenland. Den Großteil davon - rund 15 Milliarden Euro - hält allerdings die staatliche KfW-Förderbank.

»Bei einem Grexit werden deswegen wahrscheinlich keine kurzfristigen Turbulenzen kommen«, meint deswegen auch der finanzpolitische Sprecher der LINKEN im Bundestag, Axel Troost. Zudem sei auch die Bankenaufsicht mittlerweile weitaus besser aufgestellt als noch zu Beginn der Finanzkrise. Doch könnten auch andere Staaten wie Portugal oder Spanien mittelfristig bei ihrer Finanzierung Probleme auf den Kapitalmärkten bekommen, meint Troost.

Sein Pendant bei den Grünen, Gerhard Schick, ist da schon weniger gelassen. »Das Gesamtsystem ist nicht stabil«, warnt der Finanzexperte gegenüber dem »neuen deutschland«. Schließlich seien die Finanzmärkte im Verhältnis zur Realwirtschaft zu groß. Es gebe zu viel Kapital für zu wenige Investitionen.

Deshalb rät Schick auch dazu, die gegenwärtigen Ansteckungsgefahren nicht zu unterschätzen: »Niemand kann die Risiken heute seriös einschätzen.« So gebe es auf den Finanzmärkten wieder erhebliche Ungleichgewichte und Blasen. Im Gegensatz zum Stabilitätsausschuss sieht er das Niedrigzinsumfeld weniger als Ursache, sondern viel mehr als Ausdruck der gegenwärtigen Risiken.

Ähnlich sieht es der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn. Zwar könne auch er nicht sagen, »wo Panik ausbricht«. Doch bei einer Sache ist sich der Wirtschaftsexperte sicher: »Wenn die gesamten Finanzmärkte infolge eines Grexits oder Bankrotts griechischer Banken in Turbolenzen geraten, dann sind auch die deutschen Banken mit dabei«, so Horn gegenüber dem »neuen deutschland«. Wenn das Referendum mit »Nein« ausgehe und nicht weiter verhandelt werde, sei dieses Risiko groß.

Schließlich haben sich zwar die deutschen Kreditinstitute aus dem griechischen Finanzmarkt zurückgezogen. Doch das »Finanzsystem ist natürlich verflochten«, wie Wirtschaftswissenschaftler Horn sagt. So hielten die heimischen Geldhäuser laut der Zahlungsbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank im Mai etwa in Spanien und Italien Forderungen in Höhe von jeweils rund 86 Milliarden Euro.

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