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Die Mär vom kriminellen Ausländer

  • Fabian Köhler
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Kriminologe hat das Phänomen der »Ausländerkriminalität« untersucht und nicht viel davon übrig gelassen.

Sie lauern nachts in der U-Bahn, ziehen in Banden durch die Stadt, machen unsere Kinder zu Drogenabhängigen und neuerdings müssen sich selbst im beschaulichen Freital Bürger vor ihnen fürchten: Ausländer in Deutschland. Die vermeintliche Gewissheit über die höhere Kriminalitätsbereitschaft ausländischer Jugendlicher ist fast allgegenwärtig. Was am Phänomen der »Ausländerkriminalität« tatsächlich dran ist, wollte nun ein Münsteraner Kriminalwissenschaftler wissen. Das Fazit seiner Studie: nicht viel.

Im Auftrag des »Mediendienstes Integration« hat Christian Walburg von der Uni Münster dazu Kriminalitätsstatistiken, Studien und Umfragen ausgewertet. Die Ergebnisse seiner Studie über »Migration und Jugenddelinquenz«, die am Mittwoch veröffentlicht werden sollen, zeichnen ein überraschend positives Bild. So haben gewalttätige Delikte unter jungen Ausländern in Deutschland in den letzten Jahren stark abgenommen. Zählte Walburg in den Polizeistatistiken für das Jahr 2005 noch 10 406 tatverdächtige ausländische Jugendliche, waren es im Jahr 2013 nur noch 5837. Zwar ist ein Teil dieses Rückgangs auf den demografischen Wandel zurückzuführen, doch selbst wenn man diesen herausrechnet, bleibt ein Rückgang von über einem Drittel.

Und noch ein anderes Klischee entkräften die Polizeistatistiken: Ausländische Jugendliche neigen nicht häufiger zur Kriminalität als ihre deutschen Altersgenossen. Zum selben Ergebnis kommen, so Walburg, auch eine Reihe von repräsentativen Umfragen. Sein Fazit: In Fällen von Kleinkriminalität wie Diebstahl oder Sachbeschädigung gibt es kaum Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Lediglich bei Intensivtätern konnte er einen signifikanten Unterschied feststellen. Jugendliche mit türkischem oder jugoslawischem Migrationshintergrund führen hier deutlich die Statistik an.

Dennoch weist Walburg darauf hin, dass auch ein Zusammenhang zwischen Ethnie und Gewaltbereitschaft nicht pauschal nachgewiesen werden kann. Gleiches gilt auch für die Religionszugehörigkeit. Auch junge Muslime neigten nicht zu vermehrter Gewaltausübung. Stattdessen ist der Hauptfaktor für Kriminalität unter Jugendlichen: Bildung. Wem Bildungschancen verwehrt bleiben, der schlägt schneller zu - egal ob Deutscher oder Ausländer.

Und woher kommen dann die Klischees? Walburg nennt eine ganze Reihe von Erklärungsansätzen: Die mediale Vorliebe für skandalträchtige Einzelfälle. Die falsche Zuordnung grenzüberschreitender Kriminalität. Straftaten, die von Ausländern allein deshalb häufiger begangen werden, weil es sie für Deutsche nicht gibt, wie zum Beispiel der Verstoß gegen Aufenthaltsvorschriften. Aber auch die Vorurteile selbst machen Ausländer eher zu Kriminellen: Walburg schreibt: »Auf Opferbefragungen beruhende Analysen zeigen mittlerweile recht einhellig, dass die Entscheidung über eine Strafanzeige in beträchtlichem Maße auch durch die Zuordnung des Täters zu einer als fremdethnisch definierten Gruppe bestimmt wird.« Oder um zum Klischee zurückzukommen: Wer einem nachts in der U-Bahn-Station auflauert, entscheidet sich nicht nach Herkunft. Wer danach bei der Polizei landet, schon eher.

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