Geschichten im Bild festhalten
Eine spannende Ausstellung in Leipzig zeigt die Entwicklung jüdischen Lebens in den letzten 20 Jahren
Die Leipziger Fotografin Silvia Hauptmann ist keine Jüdin, eher sieht sie sich als Agnostikerin. Sie glaubt an keinen konkreten Gott, wohl aber an die Schöpfung. Das erleichterte ihr die Annäherung an eine Thematik, die manchem eher unzugänglich erscheint: das wiedererwachende jüdische Leben in Sachsen. Wo immer es zarte Pflänzchen trieb, war sie mit Kamera, geschultem Blick und Empathie dabei. Sie fotografierte jüdische Zuwanderer, die aus Russland eintrafen und nun zögerlich nach neuer jüdischer Identität in Deutschland suchten. Sie hielt 1998 die Amtseinführung des sächsischen Landesrabbiners Salomon Almekias-Siegl im Bild fest. Sie dokumentierte die Weihen der Synagogen in Dresden und Chemnitz und vor allem das neue strahlende religiöse und kulturelle Selbstbewusstsein in der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig.
Nicht zuletzt begleitete die studierte Fotografin die Jüdischen Wochen in Leipzig oder die geglückte Annäherung früher jüdischer Einwohner, die einst vor den Nazis flüchteten und inzwischen neue Bande zur Stadt ihrer Kindheit knüpften. So entstand seit 1995 ein Langzeitprojekt, das mit 10 000 künstlerisch-dokumentarischen Fotos seinesgleichen sucht. 40 großformatige Arbeiten, die exemplarisch jene Entwicklung beleuchten, sind seit Ende Juni und noch bis zum 8. September in der Leipziger Stadtbibliothek zu sehen. Der Eintritt ist frei. Bezeichnenderweise trägt die Schau den hebräischen Namen Athala Hadascha (Neubeginn). Entwickelt wurde sie in enger Zusammenarbeit mit der Ephraim Carlebach Stiftung, die sich der Erforschung und Darstellung der Vergangenheit und Gegenwart der Leipziger Juden widmet.
Anschaulich zeigen die Bilder, wie sich Leipzigs jüdische Gemeinde langsam wandelt, seit diese mit Zsolt Balla einen Rabbiner orthodoxer Prägung erhielt. Waren die knapp 1300 Juden, die zumeist aus Russland stammen, in ihrer Religionsausübung anfangs eher liberal ausgerichtet, so bestimmen heute wieder uralte Kultgegenstände die täglichen Gottesdienste - etwa der Tallit, eine viereckige Robe mit Schaufäden, oder der Tefillin genannte Gebetsriemen.
Eher zufällig war Silvia Hauptmann 1994 bei Studienreisen nach Moskau mit jüdischem Leben in Berührung gekommen, aber »sofort davon fasziniert«. Wieder in Leipzig, suchte sie Kontakt zur Ephraim Carlebach Stiftung und fand in deren Geschäftsführerin Kerstin Plowinski eine enge Verbündete. Mit Respekt registrierte die Fotografin ihrerseits, was Sachsens jüdische Gemeinden »an wirklich Großem leisten«, um den einstigen russischen Kontingentflüchtlingen eine »relativ problemlose Integration zu ermöglichen«.
Mithin ist für die gebürtige Leipzigerin die »Photographie« (persönlich verwendet sie nur jene Schreibweise) ein sehr politisches Medium. Im Spannungsfeld zwischen dem »zivilisierten Code der perfekten Trugbilder und einer unbeugsamen Realität« wählt sie stets Letzteres. Ihre Arbeiten entstehen oft in kritischen sozialen Milieus. Aufsehen erregen etwa ihre teils auch im Ausland ausgestellten Projekte zum Leben hinter Gefängnismauern oder über Heranwachsende in vier problembehafteten Leipziger Stadtteilen.
»Beruflich interessiert mich der Underdog«, sagt sie. Jenen Randfiguren der Gesellschaft will sie ein Podium geben, sie ins Licht einer allzu glattgebügelten Realität heben. Doch solche Bilder müsse man sich »wirklich erarbeiten«, so Silvia Hauptmann. Also schaut sie bewusst auch »daneben und dahinter«, wie sie es nennt, fokussiert nicht zuerst das Offensichtliche. Auch die Fotos ihrer Auslandsreportagen, die sie etwa zu New Yorker Juden, portugiesischen Fischern und Roma in Rumänien führten, passen in kein gängiges Reiseführerklischee.
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