Polizei umstellt Protest

Der »Dorfplatz« in Friedrichshain ist Zentrum einer Aktionswoche

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Linke Hausprojekte wollen in einer »Langen Woche der Rigaer Straße« Vernetzung von Anwohnern und Protest gegen Gentrifizierung vorantreiben.

In den letzten Tagen und Nächten glich die Rigaer Straße im Stadtteil Friedrichshain einer Polizeifestung. Die Gegend um den »Dorfplatz« (Kreuzung Rigaer Str./Liebigstr.) wurde von einem Lichtmast der Polizei komplett ausgeleuchtet. Der Dorfplatz ist das Zentrum der »Langen Woche der Rigaer Straße«, die von den ehemals besetzten Hausprojekten vorbereitet wurde. Sie begann am 6. Juli. »Viele Projekte des rebellischen Friedrichshainer Nordkiez haben sich zusammengetan, um gemeinsam ein Fest zum 25-jährigen Bestehen zu feiern, aber auch, um die ernsten Probleme, mit denen die Menschen in dieser Stadt zu kämpfen haben, solidarisch zu beantworten«, heißt es auf der Homepage. Am Mittwochabend sollte mit einem Umsonstflohmarkt die Nachbarschaft außerhalb der linken Hausprojekte angesprochen werden.

In die friedliche Atmosphäre platzte die Polizei, die den Flohmarkt beschlagnahmte und jeden Versuch eines Wiederaufbaus unterband. Es habe keine Anmeldung vorgelegen, begründete Polizeisprecher Thomas Böttcher den Polizeieinsatz, der auch bei vielen Anwohnern auf Unverständnis stieß. »Mich hat der Lärm vom Generator für den Lichtmast der Polizei gestört, der vor meinem Fenster aufgebaut war, aber nicht der Flohmarkt, schreibt ein Anwohner auf einen Internetblog. «Mit den Polizeimaßnahmen sollen die Krawalle herbeigeführt werden, die die Springerpresse bereits seit Wochen prophezeit», befürchtet eine Mieterin. Vor allem in der «BZ» wird seit Wochen vor einem bundesweiten «Chaotentreffen» in Friedrichshain gewarnt. Eine unbekannte Gruppe hatte am Mittwoch erklärt, sie habe wegen der Hetzartikel und der Polizeigewalt in der Rigaer Straße die BZ-Webseite gehackt.

Für diesen Freitagabend (21 Uhr) haben die Organisatoren der Langen Woche in der Rigaer Straße eine Demonstration gegen «Polizeigewalt und Verdrängung» angekündigt, die am Dorfplatz beginnen soll. Tatsächlich sind die steigenden Mieten ein Problem, das viele einkommensschwache Anwohner der Rigaer Straße betrifft. Immer mehr kleine Läden müssen schließen. Im Mai 2015 beging der Betreiber eines T-Shirt-Ladens in der Rigaer Straße Selbstmord, nachdem ihm gekündigt wurde. Wochenlang erinnerten Freunde und Bekannte mit Blumen und Karten vor dem Laden an ihn.

Die letzten Brachen verschwinden. So soll auf dem Gelände einer ehemaligen Möbelfabrik in der Rigaer Straße 71 ein Kulturhof entstehen, in den nach der aktuellen Planung Teile der historischen Anlage einer Möbelfabrik integriert werden sollen. In den Häusern in unmittelbarer Nähe wurde ein Dachgeschossausbau angekündigt. «Der Druck auf die Mieten in der Umgebung wächst. Daher wäre es wünschenswert, wenn eine Kooperation zwischen den Bewohnern in der Rigaer Straße zustande kommen würde. Schließlich sollte der Unterschied zwischen Hausbesetzern und Mietern schon seit Jahren keine Rolle mehr spielen», formuliert ein Anwohner eine Aufgabe, die auch nach dem Ende der Langen Woche noch aktuell sein wird.

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