Bewerbungskultur und Unkultur
In Hamburg sollen die Wähler am 29. November über den Versuch entscheiden, Olympia in die Stadt zu holen
Am 29. November 2015 können sich die Bewohner Hamburgs in einem Referendum über die Bewerbung der Stadt für die Olympischen Sommerspiele entscheiden. Mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen, FDP und AfD entschied sich die Bürgerschaft am Mittwoch für diesen Termin Ende des Jahres. Nur die LINKE stimmte gegen das Referendum.
»Ich bin dafür, dass sich der Deutsche Olympische Sportbund [DOSB] mit der Freien und Hansestadt Hamburg um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele im Jahr 2024 bewirbt« - diesen Satz sollen die Bürgerinnen und Bürger in knapp vier Monaten bestätigen oder ablehnen. Die LINKEN in der Bürgerschaft stimmten gegen das Referendum. Nach ihrer Ansicht kommt eine Befragung viel zu früh, da die Kosten für die Spiele noch nicht abschätzbar seien. Außerdem sei der Abstimmungstext nicht neutral formuliert.
In einer Umfrage, die der DOSB im März veröffentlicht hatte, sprach sich eine Mehrheit für die Spiele in Hamburg aus, aktuellere Erhebungen gibt es nicht. Die Kritiker der Spiele stellen sich mittlerweile aber breiter auf: Neben der bestehenden »NOlympia Hamburg«-Bewegung wurde in der vergangenen Woche auch die Volksinitiative »Stop Olympia Hamburg« vorgestellt. Die hätte nun eigentlich ein halbes Jahr Zeit, um 10 000 Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln. Aufgrund des Referendumstermins soll es damit aber viel schneller gehen, denn die Gegner der Spiele zielen darauf ab, ihre Positionen im Abstimmungsheft darlegen zu können, wofür sie die 10 000 Unterschriften schon bis Mitte September einreichen müssten. Das Heft bekommt jeder Hamburger und jede Hamburgerin ab 16 Jahren mit deutscher Staatsangehörigkeit als Entscheidungshilfe vor dem Referendum zugesandt. »Wir wollen eine Gegenposition ins Heft bringen. Es ist wichtig, in der Stadt deutlich zu machen, dass es nicht nur Befürworter gibt, sondern dass es auch viele besorgte Stimmen gibt«, sagte Joachim Lau beim Start der Initiative Ende vergangener Woche.
»Stop Olympia Hamburg« läuft unabhängig von »NOlympia«, auch wenn beim Ziel, der Verhinderung der Spiele, Einigkeit besteht. Während sich »NOlympia« vor allem auf Demonstrationen konzentrieren will, kümmert sich die »Stop«-Initiative um die Unterschriftensammlung.
So eine Arbeitsteilung ist nicht ungewöhnlich, auch die Olympiabefürworter nutzen verschiedene Kanäle und Methoden, um möglichst viele Menschen für die Spiele zu begeistern. Deren Argumentation lässt sich mit dem Ausspruch des Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) bei der ersten Sitzung der Teilhaber der Olympiabewerbungsgesellschaft zusammenfassen (»nd« berichtete): »Olympische Spiele bleiben teuer, aber wenn sie nachhaltig gestaltet sind, ist das Geld gut angelegt« sagte er.
Um auch möglichst viele Kritiker mit ins Boot zu holen, die sich noch nicht endgültig auf ein Nein zu den Spielen festgelegt haben - die Olympia also im Prinzip ganz gut finden, nur nicht in den heutigen Ausmaßen und samt den sozialen, ökonomischen und ökologischen Folgen, die Spiele derzeit noch zeitigen - werden neben Werbekampagnen auch Beteiligungsmöglichkeiten angeboten. So veranstaltete die Kulturbehörde am 8. Juli eine »Ideenwerkstatt«, in denen sich Kulturschaffende Gedanken zu den Spielen machen sollten. Sportliche Großevents mit Kulturprogrammen zu beflanken, hat sich spätestens zur Fußball-WM 2006 bewährt: das sportliche Ereignis bekam kulturelle Weihen und die Kritik an den kommerziellen Auswüchsen verstummte seitens vieler Kulturschaffenden merklich angesichts der großzügig ausgeschütteten Förderungen.
Der Autor und Journalist Christoph Twickel hatte eine Einladung zur Ideenwerkstatt - und machte seine Absage auf seinem Blog öffentlich. Ihm sei unwohl dabei gewesen, weil eine der Fragen für das Treffen lautete: »Was sind die Vorbehalte der Olympiagegner und wie kann man diese entkräften?« Die Runden wurden damit beworben, dass die Bewerbung »kritisch begleitet« werden sollte. Für Twickel heißt das jedoch: »Kultur soll Nachhaltigkeits-, Integrations-, und Problematisierungs-Narrative liefern. Sie soll der Hamburger Olympia-Bewerbung ein ›Besonders wertvoll‹-Prädikat verleihen.« Die Kultur würde in Twickels Augen die Rolle von Werbeagenturen übernehmen - nur nicht so plump, nicht so platt propagandistisch und auch nicht so teuer.
So authentisch und glaubwürdig wie von »kritisch begleitenden« Kulturschaffenden bekommt man einen scheinbar ergebnisoffenen Diskurs auf anderem Weg kaum inszeniert. Vor allem, wenn diejenigen, die ihn seitens der olympiabefürwortenden Stadt organisieren, auch diejenigen sind, die über Kulturförderung entscheiden. Da will Twickel nicht mitmachen.
Norbert Hackbusch, kulturpolitischer Sprecher der LINKEN kann diesen Olympiarunden ebenfalls nichts Positives abgewinnen: »Das ist eine Vereinnahmung, durch die eine unabhängige kritische Haltung der Kulturszene in Hamburg unmöglich gemacht wird. Öffentlich geförderte Kultur als Marketinginstrument für die eigene politische Agenda zu instrumentalisieren ist schlicht unanständig.« Das Referendum am 29. November dreht sich also um mehr als ein Ja oder Nein - es geht auch darum, mit welchen Methoden für die Antworten überzeugt werden soll.
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