Flüchtlinge als Geschäft

Unternehmer aus Schleswig-Holstein will Unterkünfte bereitstellen - aber nicht ohne Gegenleistung

  • Dieter Hanisch, Lübeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein bisher eher für rassistische Ausfälle bekannter Geschäftsmann will Lübeck bei der Unterbringung von Flüchtlingen helfen. Dabei vertritt er vor allem eigene Interessen.

Nichts wird derzeit händeringender gesucht als Immobilien für Flüchtlinge. Speziell an Unterkünften für die Erstaufnahme mangelt es. Doch nicht jedes Angebot stößt auf Gegenliebe, erst recht nicht, wenn es von jemandem kommt, der vor einigen Monaten noch Journalisten gegenüber rassistische Ansichten verbreitet hatte.

Die Rede ist von Winfried Stöcker, Firmenchef von Euroimmun in Lübeck, einem mitten in einem Waldgebiet liegenden Unternehmen im Stadtteil Blankensee, das sein Geld mit Medizintechnik verdient und nach neuestem Geschäftsbericht seine größten Umsätze in China erzielt. Der Medizinprofessor und Multimillionär Stöcker verwehrte im vergangenen Dezember der politisch engagierten Kieler Band Strom & Wasser den Auftritt in einer seiner Immobilien - einem altehrwürdigen Görlitzer Kaufhaus. Dort sollte ein Flüchtlingskonzert stattfinden. Viel schlimmer aber waren die kruden Rechtfertigungsversuche anschließend, die ihm sogar Strafanzeigen wegen Volksver- hetzung einbrachten (»nd« berichtete). Nachdem es eine Weile ruhig war um den Großunternehmer, meldete er sich jetzt in Sachen fehlende Flüchtlingsunterkünfte wieder zu Wort, dabei aber nur sein geschäftliches Eigeninteresse verfolgend.

In einem Brief schlug er dem Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) ein »Geschäft« vor: »Kommen Sie uns am Seekamp (Ort des Lübecker Firmensitzes, die Red.) entgegen, dann helfen wir Ihnen, 300 Flüchtlinge unterzubringen.« Hinter diesem Vorschlag steckt der Wunsch, nach vielen Jahren endlich eine Genehmigung zu bekommen, unter anderem eine Turnhalle und ein Technikgebäude zu bauen. Diese Vorhaben wurden dem Unternehmer bisher aus naturschutzrechtlichen Gründen verwehrt. Als »Gegenleistung« will Stöcker der Stadt Lübeck die wenige Kilometer entfernte und leer stehende Betriebsstätte in Selmsdorf (Landkreis Nordwestmecklenburg) gegen Zahlung von Pacht zur Verfügung stellen. Das Areal samt Betriebsgebäude hatte er sich erst vor dreieinhalb Monaten aus der Konkursmasse des insolventen Unternehmens Ladenbau Weimann gesichert.

»Solch ein Kuhhandel geht gar nicht«, sagt Schleswig-Holsteins Flüchtlingsbeauftragter Stefan Schmidt, der sich strikt dagegen ausspricht, Flüchtlingseinrichtungen in Gewerbegebieten einzurichten. Aber allein die Tatsache, dass hier zwei verschiedene Bundesländer eine Einigung erzielen müssten, macht den Stöcker-Vorschlag völlig unrealistisch. Unterstützung bekommt er in der Hansestadt nur von der konservativen Wählergemeinschaft Bürger für Lübeck. Alle anderen im Rathaus vertretenen Parteien lehnen Stöckers Angebot ab.

Unterdessen beteiligten sich am Samstag nach Polizeiangaben 1500 Menschen an der Refugees-Welcome-Demonstration in der Lübecker Innenstadt. Das breit aufgestellte Bündnis »Wir können sie stoppen« hatte dazu aufgerufen, weil vor zwei Wochen auf eine im Bau befindliche Flüchtlingseinrichtung im Stadtteil Kücknitz ein nächtlicher Brandanschlag verübt wurde. Laut der Grundstücksgesellschaft Trave entstand dabei ein Schaden von 10 000 Euro. Den Ermittlungsbehörden liegt bisher noch keine heiße Spur vor. Für Hinweise, die zur Ergreifung der oder des Täters führen, hat die Staatsanwaltschaft Lübeck 10 000 Euro Belohnung ausgelobt. Am Ort des Anschlags wurden unter anderem von der NPD in Umlauf gebrachte fremdenfeindliche Aufkleber entdeckt.

Im Lübecker Stadtteil Moisling wurden unterdessen das erste Mal Flüchtlinge in einer Sporthalle einquartiert. Die Verantwortlichen betonen, dass es sich dabei nur um eine aus der Not geborene Übergangsmaßnahme handeln soll.

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