Kochender Kult

Personalie: Dorje Shugden

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 2 Min.

Zugegeben: Sonderlich sympathisch wirkt er nicht, der säbelschwingende Krieger, der auf einem grimmigen Schneelöwen durch einen kochenden Blutsee reitet. Dorje Shugden (Donnerkeil) ist eine seit dem 17. Jahrhundert innerhalb des tibetischen Buddhismus verehrte Schutzgottheit. Und so etwas wie der virtuelle Gegenspieler des 14. Dalai Lama, der derzeit in Deutschland weilt, um sich kurz nach seinem 80. Geburtstag von der hierzulande besonders aktiven Fangemeinde für seine kosmische Klugheit feiern zu lassen.

Dass sich bei diesen Auftritten, so am Sonntag in Wiesbaden, Hunderte Anhänger Dorje Shugdens einfinden und den »Ozean der Weisheit« der Lüge und der Unterdrückung der Religionsfreiheit bezichtigen, stört das einschlägige buddhistische Bild von Friede, Freude, Harmonie. Allerdings sind die Gegenspieler des Dalai Lama trotz hartnäckiger und lautstarker Aktionen auf dem medialen PR-Schlachtfeld hoffnungslos unterlegen. Immerhin: Seit vergangenem Jahr sorgt die International Shugden Community (ISC) mit Sitz in den USA für Organisation und Koordination.

Dorje Shugden ist eigentlich ein typisches Produkt des tibetischen Vajrayana-Buddhismus, der - ähnlich wie beim Heiligenkult in der römischen Kirche - seinem religiösen Pantheon immer neue Gestalten, Dämonen, übernatürliche Wesen hinzufügte, um Bedürfnisse und Wünsche der Gläubigen in ein stringentes System von Macht und Kontrolle einzubinden. Bei Dorje Shugden sah der 14. Dalai Lama indes gerade dieses System durch Sektenbildung und -abspaltung gefährdet. Nach seiner Abkehr von dieser Figur bereits Mitte der 70er Jahre verbot er 1996 innerhalb des Einflussbereichs der exiltibetischen Administration definitiv den Shugden-Kult als »Götzenverehrung«. Als ein Jahr später nahe der Residenz des Dalai Lama in Nordindien drei Mönche ermordet wurden, gab es Beschuldigungen gegen die Shugden-Anhänger.

Da auch Peking als Antagonist des Dalai Lama den Konflikt um Shugden politisch nutzt, ist eine baldige Lösung nicht zu erhoffen.

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