Willst du Peng, Peng? Wie wär’s mit Ratatatat?
Die Berliner Rap-Combo K.I.Z. hat ein Album veröffentlicht, auf dem sie radikale Gesellschaftskritik mit Satire verschmilzt
Es gibt ja im deutschsprachigen Hip-Hop und Rap nicht mehr nur jene Vollpfosten - ziemlich stulle im Kopf und daraus auch nicht gerade ein Geheimnis machend -, die eine unappetitliche Mischung aus politischer Ahnungslosigkeit und peinlichem Dicke-Eier-Getue zum Besten geben. Mittlerweile existieren auch smarte Bands wie die Antilopen-Gang oder Zugezogen Maskulin. Das ist erfreulich.
Und es gibt die Kreuzberger K.I.Z., die zu den wenigen in dem Genre gehören, die eine Gesellschaftskritik, die diese Bezeichnung verdient, die also mehr ist als die handelsübliche öde linke Polit-Folklore (Fäusteballen, Parolengeschrei, Hochhalten bemalter Bettlaken), mit Humor und dem cleveren Spiel mit Form und Ästhetik verknüpfen. Den reaktionären Unsinn, der in der Vergangenheit aus Kulturbetriebsnudeln wie Bushido und anderen quoll, konterten sie mit furchtloser Haudraufsatire. Und statt sich, wie etwa der genannte Bushido, per Praktikum bei der CDU anzubiedern und eine künftige Karriere als Deutschlandwerbemaskottchen anzupeilen, kandidierten zwei der Mitglieder von K.I.Z. für die Partei DIE PARTEI, den politischen Arm des Satiremagazins »Titanic«. Auf den Plakaten posierten die beiden in grauen Anzügen vor einem Häufchen weißen Pulvers, das sie gerade im Begriff sind, sich durch die Nase zu ziehen (Slogan: »Speedlimit? Ohne uns!«) Anders gesagt: K.I.Z. sind im Gegensatz zu ihren Musikerkollegen und -kolleginnen »schlau und sehr, sehr lustig«, wie Marcus Staiger, Gründer des Labels Royal Bunker, es kürzlich formulierte. Und sie beherrschen die dazugehörenden Pastiche- und Zitat-Techniken, das virtuose Spiel mit der Vieldeutigkeit, die Kunst der gelungenen Selbstinszenierung, verstehen also etwas von Dingen, von denen die traditionell eher simpel gestrickte und in Fragen des Pop und der Ästhetik eher wenig beschlagene deutsche Linke nichts versteht: Auf den Reklameplakaten zum neuen Album »Hurra, die Welt geht unter« posieren die Rapper in einer Art Revolutionsführer-Look mit Baretten auf dem Kopf und in (an den schlichten radical Chic von Privatarmeen und Paramilitärs erinnernden) schnittigen schwarzen Uniformen. »Revolution« steht da groß auf Plakaten. Doch wenn man sich ihnen nähert, liest man das Kleingedruckte: »Wir sind der starke Kaffee am Morgen der Revolution.«
Wenn hierzulande alle Rapper so klug wären wie die Genannten, hätte die Welt kein Deutschrap-Problem. In einem Track wie «Boom Boom Boom» etwa steckt alles Wissen drin, das man als einigermaßen aufgeklärter linker Kritiker haben könnte, wenn man wollte: das Wissen vom bedingungslosen deutschen Untertanengehorsam («Dumm sein und Arbeit haben, das ist das Glück» (Gottfried Benn)); das Wissen, dass die sogenannten deutschen Leitmedien und der angeschlossene Kulturbetrieb (von Karasek bis zu den Scorpions) als freiwillige Propagandakompanie des Kapitals tätig sind; das Wissen von der schmutzigen Lüge eines «gesunden Patriotismus», der die Klassengegensätze verschleiert und an dessen Ende stets das Pogrom steht; das Wissen, dass die Politiker, die vom «demokratischen Europa» salbadern, Heuchler und Exekutoren einer rassistischen Flüchtlingspolitik sind, die im Wesentlichen fortgesetzter legalisierter Mord ist; das Wissen vom nur mühsam gezügelten völkischen Wahn der «besorgten Bürger» (AfD, Pegida, Freital), die per Internet ungehemmt ihre faschistischen Vernichtungsphantasien hinausposaunen.
Hinzu kommt bei K.I.Z. eine gewisse Eleganz in der Formulierung: «Meine Vorfahren haben Wildschweine gejagt / Jetzt leb’ ich mit Barbaren, die tun, was die ›Bild‹-Zeitung ihnen sagt / Ihr Party-Patrioten seid nur weniger konsequent als diese Hakenkreuzidioten / Die gehen halt noch selber ein paar Ausländer töten / anstatt jemand zu bezahlen, um sie vom Schlauchboot zu treten / Die Welt zu Gast bei Freunden und so / Du und dein Boss haben nichts gemeinsam bis auf das Deutschlandtrikot / Ich hab’ noch nie so treue Sklaven gesehen, die bereit sind, für mehr Arbeit auf die Straße zu gehen / Und Promis treten für die Truppen in Afghanistan auf / Wo sind bloß die Terroristen, wenn man sie gerade mal braucht?» Es folgen Exekutionsgeräusche und Maschinengewehrschüsse: «Soll ich dich? - Knall! - Willst du das? - Peng, Peng! - »Wie wär’s mit? - Ratatatat!«
Das umhermarodierende Barbaren- und Deutschlandfahnenschwenker-Gesocks soll also einfach ausradiert werden, mitsamt ihren Chefs, den Marketing-Spackos, den Politikervisagen, den TV-Promis und »Bild«-Kommentatoren. Doch halt! Stopp! Es handelt sich hier nur um ein Musikstück! Revolutionäre Politik betreibt man bei der Band vorerst noch anders: Für den gestrigen Donnerstagabend hatten die Rapper von K.I.Z. gemeinsam mit der PARTEI eine »Großkundgebung mit musikalischer Untermalung« auf dem Kreuzberger Oranienplatz in Berlin angekündigt. »Stoppt die diktatorischen Tendenzen in der BRD!« lautete das Motto. Auch ein Redebeitrag von nd-Kolumnist Leo Fischer, der für die verfassungsfeindliche Plattform der PARTEI sprechen wollte, war vorgesehen.
Im Aufruf zur Kundgebung hieß es: »Wir haben durch einen internen Untersuchungsausschuss feststellen lassen, dass die Diktatur schon in der Familie beginnt und offenbar mittel- bis langfristig auch die BRD befallen wird. Da kann man natürlich nichts machen, dennoch rufen wir zu einer machtvollen Kundgebung rund ums Thema auf!«
Was sagte einer der vier Rapper neulich im bandeigenen Internetkanal Taka Tuka TV? »Glaubt nicht den Kettenhunden des Großkapitals, den Heidi Klums, den Dieter Bohlens, die euch glauben machen wollen, ihr wärt irgendetwas, ihr könntet etwas sein! Denn in Wahrheit seid ihr nichts, nichts ohne uns!« Und: »Dumm und treu ist er, der Fan. Aber er ist mein Fan.«
K.I.Z.: Hurra, die Welt geht unter (Universal)
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