Bundesverwaltungsgericht verlangt Bekenntnis zum Volkstum

Spätaussiedler müssen überdies in der Familie Deutsch gelernt haben

  • Sven Eichstädt, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit längerem in Deutschland lebende Spätaussiedler müssen sich weiterhin zum deutschen Volkstum bekennen und in der Familie Deutsch gelernt haben. Und EU-Ausländer müssen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, wenn sie dauerhaft in der Bundesrepublik leben wollen. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht.

Nach der Wiedervereinigung sind zahlreiche Spätaussiedler aus der früheren Sowjetunion in die Bundesrepublik gekommen. Etwa 3,2 Millionen Spätaussiedler leben derzeit in Deutschland. Um aus Ländern der ehemaligen UdSSR oder anderen osteuropäischen Ländern in die Bundesrepublik einreisen zu können, benötigten diese Menschen eine Anerkennung als Spätaussiedler – oder sie konnten mit ihrem Ehemann oder ihrer Ehefrau oder ihren Eltern einreisen, die einen Status als Spätaussiedler erhalten hatten.

Für das Leben in der Bundesrepublik reicht es dann vollkommen aus, wenn ihr Ehegatte oder ihre Eltern eine solche Spätaussiedlerbescheinigung haben. Allerdings sind die Rentenansprüche höher, wenn man selbst Spätaussiedler ist, weil dann Anwartschaften aus Arbeitsjahren in der damaligen Sowjetunion besser anerkannt werden und dadurch die Rente steigt. Deshalb wollen nun zahlreiche Russlanddeutsche auch dann eine eigene Spätaussiedlerbescheinigung, wenn sie mit ihren Ehegatten oder Eltern in den 1990er Jahren nach Deutschland gekommen sind.

Dabei wollen sie gern in den Genuss von Gesetzesänderungen kommen, die seit 2013 in Kraft sind: Danach sind kein durchgängiges Bekenntnis zum deutschen Volkstum und kein innerfamiliärer Spracherwerb mehr nötig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied jedoch am Donnerstag, dass diese Gesetzesänderungen für Spätaussiedler, die schon lange in Deutschland leben, nicht gelten (Az.: 1 C 29.14 und 30.14). »Es ist auf den Zeitpunkt der Übersiedlung abzustellen«, begründete der Vorsitzende Richter des ersten Senats, Uwe-Dietmar Berlit. Und zum Zeitpunkt der Übersiedlung, also in den neunziger Jahren, galt die neue Gesetzesregelung noch nicht. Damit hatten die Klagen von Alexander K., der über keine durchgängiges Bekenntnis zum deutschen Volkstum verfügt, und von Olga B., die keinen innerfamiliären Spracherwerb nachweisen kann, gegen das Bundesverwaltungsamt zunächst keinen Erfolg. Die Leipziger Bundesrichter wiesen die beiden Verfahren zwar an das Oberverwaltungsgericht Münster zurück. Dort müssten allerdings dann Alexander K. und Olga B. nachweisen, dass sie doch über ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum und in der Familie erworbene Sprachkenntnisse verfügen.

Der erste Senat entschied außerdem, dass EU-Ausländer selbst ihren Lebensunterhalt sichern können müssen, wenn sie dauerhaft in der Bundesrepublik leben wollen (Az. 1 C 22.14). Der juristische Streit entzündete sich um eine Verfügung der Stadt Stuttgart von Mai 2012. Darin hatte die Stadtverwaltung festgestellt, dass eine 1935 geborene Ungarin kein Recht mehr auf eine Einreise und einen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat. Grundlage eines solchen Rechts wäre das Freizügigkeitsgesetz, das für EU-Ausländer und damit auch für Ungarn gilt. Die Stadt Stuttgart hatte die Verfügung deshalb ausgestellt, weil die Frau nicht über ausreichend Existenzmittel verfüge.

Gegen diese Verfügung klagte die Ungarin, die seit elf Jahren in Deutschland lebt, und bekam im April 2013 recht. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim bestätigte die Stuttgarter Gerichtsentscheidung im Januar 2014. Nach der Ansicht der Mannheimer Richter kam es allein darauf an, dass die Ungarin mindestens fünf Jahre in der Bundesrepublik gelebt habe und dass die Behörden innerhalb dieser fünf Jahre keine Verfügung erlassen hätten, dass die Frau keine Berechtigung für einen dauerhaften Aufenthalt habe.

Dies sah nun der erste Senat des Bundesverwaltungsgerichts komplett anders und bescheinigte den Mannheimer Richtern, dass sie bei ihrer Entscheidung falsch geurteilt haben. »Der Verwaltungsgerichtshof hat nur das nationale Recht in den Blick genommen, nicht jedoch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes zu dieser Rechtsfrage«, begründete der Vorsitzende Richter Berlit. »Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass es nicht allein auf nationales Recht ankommt, sondern dass das Recht der Europäischen Union entscheidend ist.«

Für den Fall der in Stuttgart lebenden Ungarin und andere EU-Ausländer heißt das: »EU-Ausländer haben nur dann einen Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht, wenn sie selbst krankenversichert sind und ausreichend Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts haben«, führte Richter Berlit weiter aus.

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