Wieder Brandattacke gegen Flüchtlingsheim
Tatort: Baden-Württemberg - EU-Minister wollen sich auf »Umverteilung« von Asylsuchenden einigen
Die Innenminister der EU-Staaten wollen zu Wochenbeginn über neue Quartiere für rund 60 000 Flüchtlinge entscheiden. Bei ihrem Treffen Anfang Juli konnte darüber keine Einigung erreicht werden. Innerhalb von zwei Jahren sollen 40 000 Asylberechtigte - also syrische Kriegsflüchtlinge und Opfer der Militärdiktatur in Eritrea - in andere EU-Länder gebracht werden, um Italien und Griechenland zu entlasten, wo besonders viele Bootsflüchtlinge ankommen. Weitere 20 000 Menschen aus Lagern nahe der syrischen Grenze könnten - so eine Vereinbarung der Mitgliedsstaaten - in die EU kommen.
Doch in der Gemeinschaft fehlt es weithin an der so oft geforderten Willkommenskultur. Seit Monaten werden in Deutschland Unterkünfte, die zur Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitet werden, angezündet. Jüngstes Beispiel in der Nacht zum Samstag: Ein Haus in Remchingen bei Karlsruhe geht in Flammen auf. Die Polizei geht von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Täter? Wie zumeist unbekannt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach von einem niederträchtigen Anschlag und behauptete: »Bei uns ist kein Platz für Hass und Ausgrenzung.« Die Hintergründe eines Brandes in einem Heim in Bayern sind noch offen, in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) wurden am Sonntag Steine auf Flüchtlingszelte des Deutschen Roten Kreuzes geworfen.
Im bayerischen Reichertshofen war bereits in der Nacht zum Donnerstag ein Brandanschlag verübt worden. Auf ein Asylbewerberheim im sächsischen Böhlen hat »jemand« vor wenigen Tagen geschossen, eine Unterkunft im hessischen Mengerskirchen wurde mit Schweineinnereien beschmutzt. Der Präsident des Landesverfassungsschutzes, Robert Schäfer, sagte, mit den Angriffen werde versucht, Stimmungen oder auch Ängste in der Bevölkerung aufzunehmen und für rechtsextreme Ziele einzusetzen. Im sächsischen Meißen gab es Ende Juni einen Brandanschlag, in Limburgerhof (Rheinland-Pfalz) zündeten Unbekannte im Mai eine im Bau befindliche Flüchtlingsunterkunft an. Ein Monat zuvor war in Tröglitz (Sachsen-Anhalt) Feuer gelegt worden. Eine Unterkunft in Escheburg bei Hamburg wurde im Februar zerstört. In Thüringen wurden seit Jahresbeginn vom Landeskriminalamt elf Angriffe auf Asylbewerberheime registriert.
Die herrschende Politik reagiert nach dem Motto »teile und herrsche«. Das Thema Asyl ist nach Ansicht von Horst Seehofer, CSU-Chef und Ministerpräsident von Bayern, so brisant, dass es das etablierte Gefüge der deutschen Politik ins Wanken bringen könnte. Er zielt auf Asylbewerber aus Südosteuropa und will deren Zahl mit »rigorosen Maßnahmen« eindämmen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hält die meisten Balkan-Flüchtlinge ebenfalls für »inakzeptabel« und nennt sie eine »Schande für Europa«. Auch er will die Anzahl der Zufluchtsuchenden aus diesen Ländern »drastisch reduzieren«. Seite 8
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