Asyl unter Feinden

Zwei ARD-Dokumentationen über den Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Welt lebt in der Dauerkrise. Während Deutschlands Wohlergehen ungerecht verteilt, aber stetig wächst und wächst und wächst, herrscht im Rest der Welt oft nackte Not. Wer den täglichen Nachrichtenblock voller Armut, Terror, Krieg und Hunger in aller Welt erträgt, könnte daher glauben, abgesehen von ein paar Streiks und vager Angst vorm Grexit gäbe es hierzulande nur ein Problem von globaler Tragweite: Flüchtlinge. Bis Anfang Juli wurden mit gut 150 fast ebenso viele ihrer kargen Unterkünfte angegriffen wie im ganzen Vorjahr, das seinerseits dreimal mehr Attacken verzeichnet hat als 2013. Die Pest Pegida hat gewirkt, dumpfer Rassismus dominiert - in den Städten und Gemeinden, Köpfen und Herzen.

Aber in Pattenberg? Der Ort im Chiemgau, berggesäumt idyllisch, wirkt eigentlich zu himmlisch für weltlichen Hass. Dann aber erzählt der Reitmeier Sepp von jenem Morgen, als er mit ein paar der Neuankömmlinge gesprochen habe, »wie es so geht«, solche Sachen, wofür ihn tags drauf ein paar mehr seiner Nachbarn verhört hätten, was er »denn so g’red hätt’, mit dena Nega«. So ist sie, die Stimmung im Dorf am Fuße der Kalkalpen, eingefangen von Carolin Genreith, die neun Monate lang dokumentiert, was Einheimische empört und Zuschauer verstört: In einem verwaisten Gasthof wohnen nun Flüchtlinge. Aus Afghanistan, Syrien, Eritrea. Dem Bürgerkrieg entkommen, im Feindesland gelandet. Die Leute ringsum, das zeigt der Dokumentarfilm »Das Golddorf« so nüchtern wie klug, sie fremdeln schließlich spürbar mit »dena Nega«. Ach, im Grunde mit allem, was der bäuerlichen Bierseligkeit unbekannt ist.

Bis auf Tracht und Brauart gleicht das Gebaren also dem im Kreis Harburg. Liberaler Speckgürtel des weltoffenen Hamburgs, könnte man meinen, und doch von Fremdenhass zerfressen wie ein AfD-Parteitag. »Nimm doch deine Neger mit!« muss sich die Kommune beim Versuch, die Aufnahme von 53 Flüchtlingen zu erklären, besser: zu entschuldigen, schon mal anhören. Die »Asylanten«, wie sie im aufgeheizten Gemeindesaal nur heißen, hätten schließlich ein »gewisses Potenzial«. So nennt es ein Blutsdeutscher mit grauem Schnauz und meint damit: Übergriffe, Vergewaltigung deutscher Mädel.

Es herrscht eine andere Atmosphäre als im Golddorf, wo das Bergvolk seiner Antipathie etwas gemütlicher Luft verschafft. »Willkommen auf Deutsch« dagegen klingt feindseliger, aggressiver, lauter. Und doch erzählt die preisgekrönte Doku von Carsten Rau und Hauke Wendler den gleichen Plot. Er handelt von Fremdheit, Unkenntnis, Ängsten und allem, was Menschen aneinander erleiden, die durch tiefe Gräben getrennt sind. An zwei Dienstagen infolge schüttet sie die ARD - zur Nacht, versteht sich - kurz auf und ermöglicht den Gegensätzen so, sich mal in die Augen zu schauen.

Beide Filme nehmen ja weder ausnahmslos die Flüchtlinge ins Objektiv, wie es das Informationsfernsehen so gern tut, wenn all die Beiträge über Fluchtursachen, Schlepperbanden, Herkunftselend laufen; sie fokussieren auch keine Befindlichkeiten der aufnehmenden Bevölkerung, wie es eingekeilt zwischen Sarrazin, CSU und Pegida Trend wurde. Nein, hier kommen beide Seiten ins Gespräch, fast ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Meist kommentarlos beobachten die Kameras Menschen verschiedener Kulturkreise, die heillos voneinander überfordert sind. Sie begleiten, illustrieren, halten drauf, bleiben dennoch fern und entlarven gerade durch diese Distanz das, was unser Land bei allem Wohlergehen lebensunwert macht.

Die Verachtung der Leute für alles Fremde ist sich nämlich selbst genug. Sie braucht keine Argumente, nur Bestätigung. Mit »dena Nega red ma ned«. Am Ende sagt Ghafar, den die Taliban daheim in Kabul töten wollten, nur weil er die (deutschen) Befreier der ISAF unterstützt hatte, dieser Mann sagt also, jener Tag, an dem sein Asylantrag bewilligt wurde »für dieses schöne Land«, sei der glücklichste in seinem Leben. Schade, dass seine Nachbarn ihn auch dafür hassen.

Willkommen auf Deutsch, 21. Juli, 22.45 Uhr; Das Golddorf, 28. Juli, 22.45 Uhr.

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