Auf dem Sprung nach Rio
Patrick Hausding soll den deutschen Wasserspringern bei der Schwimm-WM in Kasan möglichst drei Olympiaplätze sichern
Seine ersten Eindrücke von Kasan hat Patrick Hausding schon vor drei Monaten gesammelt. Im Rahmen der World Series hielt sich der Berliner Wasserspringer damals in der Hauptstadt der russischen Republik Tatarstan auf - und war recht angetan. »Das sah alles sehr nett aus. Kasan ist eine schöne Stadt, mit freundlichen Menschen, nicht so verödet. Ganz anders als Moskau zum Beispiel«, erzählt Hausding, der nun wieder in der Stadt an der Wolga mit ihren 1,1 Millionen Einwohnern unterwegs ist. Bei der WM hat er den Auftrag, dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) ein paar Quotenplätze für die Olympischen Spiele im kommenden Jahr zu verschaffen.
Am Samstag werden im Freiwasserschwimmen, bei den Wasserspringern und im Synchronschwimmen die ersten Weltmeister gekürt. Patrick Hausding hat am Sonntag seinen ersten Auftritt - wenn er mit Sascha Klein seinen Titel im Synchronspringen vom Turm verteidigen will. In Barcelona triumphierte das Duo 2013 über die als unbesiegbar geltenden Chinesen. Hausding und Klein waren die ersten männlichen Weltmeister des DSV überhaupt, in den Siegerlisten stand zuvor allein der Titel der DDR-Springerin Christa Köhler 1973.
»Eine glanzvolle Sache« nennt Hausding den Coup in Kataloniens Metropole und sagt vor dem jetzigen Auftritt mit seinem aus dem Rheinland stammenden Partner: »Den Titel zu verteidigen ist immer realistisch, aber es wird nicht einfach. Ich wäre auch mit Silber oder Bronze sehr zufrieden.« Ganz ähnlich sieht das Lutz Buschkow: Parallel zur Jagd nach den Quotenplätzen für Rio liebäugelt der Bundestrainer in Kasan »mit ein bis zwei Medaillen«.
Die Beckenschwimmer springen erst in der zweiten WM-Woche in den Pool. Patrick Hausding hat seine insgesamt drei Wettbewerbe dann schon hinter sich. Und eine ebenso wichtige Aufgabe vor der Brust: Der bei Kontinentalmeisterschaften erfolgreichste europäische Wasserspringer will in der nächsten, der olympischen Saison zur Abwechslung endlich einmal schmerzfrei trainieren. Dafür muss Hausding die Erholungsphase nach der WM zu möglichst intensivem Nichtstun nutzen.
Lange Zeit hatte der zwölfmalige Europameister Probleme mit dem linken Knie. Die bekam er in den Griff, doch nun plagt ihn die rechte Patellasehne dauerhaft. »Wenn man so viele Schmerzen hat, ist es nicht immer einfach, sich beim Training zu motivieren. Wenn’s auf die Wettkämpfe zugeht, ist das kein Problem. Aber sich täglich zu quälen, obwohl man weiß, dass dabei alles wehtut, ist nicht so schön«, bekennt Hausding. Nach der Rückkehr aus Russland will er mit seiner Freundin den einen oder anderen Kurzurlaub einlegen. Vor allem aber soll sein geplagter Körper in dreieinhalb Wochen Pause richtig zur Ruhe kommen. »Ich hoffe, dass mir der Urlaub hilft, ich zu Olympia dann vollkommen fit bin und dauerhaft schmerzfrei trainieren kann«, sagt Hausding. Schließlich sollen die Spiele in Rio für den Berliner nicht die letzten sein.
»Aufhören werde ich nach Olympia auf keinen Fall. Den nächsten olympischen Zyklus würde ich schon noch in Angriff nehmen, muss aber auch schauen, ob mein Körper das weiter mitmacht. Deswegen kann ich jetzt nicht sagen: Die vier Jahre sind fix«, erklärt Hausding, der sich mehr Anerkennung seiner Leistungen in der Heimat - nicht zuletzt von den Fernsehsendern - wünscht. Im letzten Jahr sei eine Chinesin beim Weltcup in Shanghai mit einem großen Plakat von ihm daher gekommen. »Auf dem sollte ich unterschreiben. Außerdem wollte sie mich unbedingt noch umarmen, ein Foto machen und all so was. Das sind schon andere Welten«, schmunzelt Hausding und meint: »Mich würde es nicht überraschen, wenn mein Name in China bekannter ist als in Deutschland.«
Seinen nationalen Auftrag geht der 26-Jährige in Kasan trotzdem gewissenhaft an. »Am liebsten wäre ich in jedem meiner drei Wettkämpfe erfolgreich. Aber besonders freuen würde es mich in den zwei Synchrondisziplinen - weil es da nur für Gold, Silber und Bronze Olympiaplätze gibt«, erklärt er. Ansonsten nimmt Hausding die Woche in Russland auffallend nüchtern in Angriff und sagt: »So lange in Kasan alles organisiert ist und nicht alle wie in einem Hühnerhaufen herumrennen, bin ich zufrieden. Dann mach’ ich meine WM und fahr’ wieder nach Hause.« Urlaub machen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!