Allein gegen die Fliehkraft

Im Kino: Tom Cruise lässt die Erde hinter sich in »Mission: Impossible - Rogue Nation«

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 4 Min.
Ethan Hunt ist zurück, und das mit den üblichen Trompeten und Fanfaren. Zum fünften Mal in bald zwanzig Jahren kann man Tom Cruise in »Mission: Impossible« bei waghalsigen Stunts zuschauen, wie einen unglaublichen Sprung.

Ethan Hunt ist zurück, und das mit den üblichen Trompeten und Fanfaren. Zum fünften Mal in bald zwanzig Jahren stellt Tom Cruise, charismatischer Mega-Star, überdrehter Sofa-Hüpfer und gewissenloser Sekten-Werber, als Superagent (und Produzent) der »Mission: Impossible«-Filme seine überbordende Energie, ein großes Budget und viel technologischen Spielkram in den Dienst der guten Sache. Auch wenn lange unklar bleibt, wer hier im Einzelnen die Guten sind und wer genau die Bösen. Ganz wie im wirklichen Leben - nur doller.

Von London nach Wien und Marokko und zurück verfolgen Hunt und seine Jetset-Agenten diverse Schurken, retten chemische Waffen vor dem Zugriff tschetschenischer Terroristen, entkommen schwedischen Folterknechten, verhindern mehrfach (aber am Ende doch nur: beinahe) die Ermordung des österreichischen Bundeskanzlers, knacken einen Unterwassertresor, fahren sehr rasant Motorrad und entlarven den Geheimdienstchef eines europäischen Verbündeten als skrupellosen Machtpolitiker. Trotzdem werden sie in den USA, in diesem Paradies wildgewordener Geheimdienst-Allmachtsfantasien, auch diesmal wieder verleugnet, geschmäht, ihrer Legitimität beraubt. Von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der sich am Ende dann doch als genau das erweisen wird, was solche Ausschüsse im wirklichen Leben zum Schaden der Bürgerrechte meist sind: ebenso ahnungslos wie zahnlos.

Einer etablierten Tradition der Reihe folgend, kann »Mission: Impossible - Rogue Nation« wieder mit einem neuen Regisseur aufwarten, und der durfte als erster der fünf »M:I«-Regisseure diesmal sogar selbst das Drehbuch schreiben. Christopher McQuarrie, mit dem Buch zu Bryan Singers cleverem kleinen Thriller »Die üblichen Verdächtigen« berühmt geworden (Singer dreht inzwischen die Megaspektakel der »X-Men«-Franchise), setzt auch als Regisseur mehr auf Tiefe als auf Hochglanzbilder. Es sind existenzielle Fragen persönlicher Identität und Loyalität, die »Mission: Impossible - Rogue Nation« vorantreiben.

Das macht den neuen Film einerseits trotz seiner Länge von bald Zweieinviertelstunden kurzweilig, führt andererseits aber auch dazu, dass am Ende, wenn das Popcorn gegessen und das Licht wieder an ist, bloß schaurige Details im Gedächtnis bleiben wie der Instrumentenkoffer des schwedischen Folterknechts. Und eben nicht ganze Szenen wie noch beim letzten Teil der Reihe, »Mission: Impossible - Phantom-Protokoll« mit seinen digitalen Vexierbildern in unterirdischen Kreml-Tunneln, seinen Sandstürmen und Turmkletterereien in Dubai. (Die Vorher/Nachher-Fotos vom spektakulären Schaden, den der Kreml im Zuge dieser letzten Aktion nahm, sorgt denn auch für den einzigen echten Lacher im neuen Film.)

Selbst der Stunt zu Beginn, Cruises vielbeworbener Sprung auf ein abhebendes Transportflugzeug, könnte genauso gut aus dem Computer stammen. Wirklich zu sehen ist der Unterschied nicht, dafür ist die Tricktechnik heute zu gut. Wenn es aber tatsächlich so war, dass Cruise persönlich hier den Fliehkräften trotzte und mit dem Flugzeug in die Luft ging, wirft das die Frage auf, wem der Mann da eigentlich was zu beweisen sucht - und warum. Sicher sein kann man jedenfalls, dass eine alternative Vorspannszene bereit lag, falls der Stunt schiefgegangen wäre: Keine Versicherung der Welt hätte dieses Filmprojekt abgesichert, wenn Cruise den Rest des Films nicht bereits abgedreht gehabt hätte, bevor er sich an die Tür eines startenden Flugzeugs hängte. Von außen.

Dass die meisten der Aktionen, in die Hunt und Team verstrickt werden, mit punktgenauer Präzision beginnen, um dann aus dem Ruder zu laufen und in wilder Improvisation, in Materialschlachten und Faustkämpfen zu gipfeln, ist Running Gag und Bauprinzip des Films zugleich - was die »M: I«-Filme von der US-Fernsehserie aus den Sechzigern unterscheidet, von der sie inspiriert waren. Jeremy Renner als Agent William Brandt, Ving Rhames und der britische Komiker Simon Pegg als IT-Spezialisten unterstützen Hunt bei der Schurkenjagd, Alec Baldwin als CIA-Chef sabotiert erst und erntet dann die Lorbeeren, Sean Harris gibt den eiskalten Oberganoven. Die eigentliche Neuerung aber ist Rebecca Ferguson als reichlich undurchsichtige Agentin Ilsa Faust - endlich mal eine Frau, die neben Cruise bestehen darf. Damit ist sie schon die zweite Ko-Heldin einer testosterongesteuerten Action-Sequel in diesem Sommer, nach Charlize Theron in »Mad Max: Fury Road«.

Die ebenso bildhübsche wie blutjunge Plattenverkäuferin, die Cruise zu Beginn mal kurz anhimmelt, zeigt das Alter des Stars dagegen deutlicher als jede seiner Action-Szenen. Sehr viel länger wird er zum Jungmädchenschwarm nun nicht mehr taugen, aber einen weiteren Film in der »Mission-Impossible«-Reihe trauten ihm selbst die kritischsten US-Kritiker nach diesem doch noch zu. Und weil das Publikum das offenbar genauso sieht und »Mission: Impossible - Rogue Nation« schon nach Tagen (der internationale Einsatz begann letzte Woche) auf den Weg zum Blockbuster schickte, ist Teil 6 bereits beschlossene Sache.

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