Quälen im Wasser, tüfteln an Land
Wie Brustspezialist Marco Koch zum erfolgreichsten deutschen Schwimmer wurde
Im Leben des Brustschwimmers Marco Koch hat in den letzten zwei Jahren fast alles geklappt, bei der Anreise zu den Weltmeisterschaften ins russische Kasan war es mit dem unbeschwerten Dasein aber vorübergehend vorbei. Aufgebrochen aus dem gemeinsamen Trainingslager der deutschen Schwimmer an der türkischen Riviera, nahm der ernährungsbewusste Wassersportler am Flughafen Antalya irgendetwas Unverträgliches zu sich - die Folgen stellten sich dann nach der Ankunft in Kasan ein. »Von Samstag auf Sonntag habe ich die Nacht durchgebrochen«, erzählte der 25-Jährige, als er den unerfreulichen Einstieg in die Weltmeisterschaftswoche endlich auch erkennbar überwunden hatte.
Dank der vielen Erfolge in der jüngeren Vergangenheit geht Marco Koch mit solchen Zwischenfällen ohnehin recht entspannt um. »Besser mal etwas Falsches Essen und eine Nacht kotzen als ein Magen-Darm-Virus«, erklärte er und meinte trotz des verlorenen gegangenen Trainingstags: »Ich bin optimistisch, dass es ganz gut läuft.«
Denn gut gelaufen ist es für den begeisterten Tüftler auch mit seiner neuesten Errungenschaft. Die ist zwei Meter lang und einen Meter breit. Für Koch war es keine Liebe auf den ersten Blick - doch seine Zuneigung hatte die Magnetmatte, mit der er auf einer Messe für Naturheilkunde im Frühjahr erstmals in Berührung kam, rasch gewonnen. »Ich habe die Matte vor Ort ausprobiert, sie danach für acht Wochen zum Testen mit nach Hause genommen - und war begeistert«, erzählt er. Und besonders begeistert war sein lädiertes Knie, das ihn zuvor doch so sehr geplagt hatte.
»Das mit den Knieproblemen wurde sehr schnell wieder besser - so dass ich noch mal ein bisschen härter trainieren konnte«, erzählt der Weltmeisterschaftszweite von 2013 und Europameister von 2014 - jeweils über 200 Meter Brust. Durch derartige sportliche Ausrufezeichen stieg er in der Mannschaft von Henning Lambertz ganz rasch zum Vorzeigeschwimmer auf.
»Er ist«, lobt der Chefbundestrainer, »unheimlich interessiert. Er unterhält sich mit Medizinern über mögliche Nahrungsergänzungsmittel, mit Physiotherapeuten über Behandlungsmethoden, die er selbstständig durchführen kann - und er tauscht sich international mit anderen Trainern aus.« Kochs Lieblingsansprechpartner ist dabei seit einigen Jahren Lambertz’ Vorgänger Dirk Lange, der in Graz Weltklasse-Brustschwimmer wie den Olympiasieger und mehrfachen Weltrekordler Cameron van der Burgh aus Südafrika oder den italienischen Doppeleuropameister Fabio Scozzoli trainiert.
Bei seinen Abstechern in die Steiermark lässt sich Deutschlands Goldhoffnung in Kasan und für die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro von Lange regelmäßig im Wasser quälen. »Dort schwimmen wir in einer Einheit auch mal Brustserien über drei Kilometer. Das ist schon sehr viel. Nach so einem Trainingslager bin ich immer extrem kaputt«, erzählt Marco Koch, der sich danach stets auf das gemäßigtere und auch abwechslungsreichere Training bei seinem Heimtrainer Alexander Kreisel freut. Und auf das Essen seiner Mutter, bei der er noch immer wohnt.
Denn zusätzlich zu den 30 Trainingsstunden, die er pro Woche absolviert, fahndet der Daniel Düsentrieb des deutschen Schwimmsports, der nebenher auch noch Wirtschaftspsychologie an der SRH Fernhochschule Riedlingen studiert, auch noch an allen Ecken und Enden seines Sports nach neuen Möglichkeiten. In Kasan hat das Feilen an Details aber erst mal Pause: Am Donnerstagvormittag schwamm Marco Koch über die 200 Meter Brust - seiner Leib- und Magenstrecke - in 2:09,12 Minuten als Vorlaufschnellster ins Halbfinale am Abend (nach Redaktionsschluss). Auch der Essener Christian vom Lehn qualifizierte sich mit Platz 14 in 2:10,71 Minuten für die Vorschlussrunde. Der Endlauf steigt dann in der Kazan Arena am frühen Freitagabend um 17.55 Uhr.
»Ich gehe davon aus, dass hier auch der Weltrekord über 200 Meter Brust fällt - mal schauen, durch wen«, prophezeite der Darmstädter angesichts der Flut an globalen Bestmarken bei diesen Titelkämpfen noch am Tag vor seinem ersten Sprung ins WM-Becken. Er selbst würde die vier Bahnen Brust gerne schneller schwimmen als bei seinem Europameisterschaftssieg im letzten Jahr in Berlin. »Wenn ich das erreiche, bin ich zufrieden«, betont Marco Koch, der den Olympiasieg in Rio de Janeiro als seinen »großen Traum« bezeichnet.
Ansonsten gibt er sich im deutschen Schwimmteam ganz bescheiden - ähnlich wie Paul Biedermann, der am Dienstag als WM-Dritter über 200 Meter Freistil die erste Beckenmedaille für den DSV geholt hatte. »In lauter Art und Weise eine Führungsposition für sich zu beanspruchen, das wollen beide nicht«, erzählt Bundestrainer Lambertz. »Aber beide sind unheimlich wichtig für die Mannschaft, werden als Leistungsträger akzeptiert. Wobei Paul Biedermann aufgrund seines Standings die absolute Nummer eins ist.«
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