Athen zahlt Zinsen an IWF zurück

Debatte über Zeitplan der Gespräche mit Gläubigern / Brüssel drängt auf rasche Einigung mit Griechenland - Berlin will lieber länger verhandeln, als strittige Punkte bei Verhandlungen auszuklammern

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Berlin. Während die Regierung in Athen rund 186 Millionen Euro fristgerecht an den Internationalen Währungsfonds zurückgezahlt hat, geht die Debatte über ein drittes Kreditprogramm für Griechenland weiter. Notfalls solle lieber zwei oder drei Wochen länger verhandelt werden, um am Ende ein »qualitativ hochwertiges drittes Programm« zu haben, zitierte das »Handelsblatt« am Freitag einen Regierungsvertreter. Stattdessen gebe es jedoch die Tendenz, unbedingt eine schnelle Einigung zu schließen und einige besonders strittige Punkte bei den Verhandlungen auszuklammern.

Mit dieser Position würde sich die Bundesregierung einmal mehr gegen die EU-Kommission stellen, die zu einer schnellen Einigung drängt. Auch die Europäische Zentralbank mache Druck, da sie an einer zügigen Rekapitalisierung der griechischen Banken interessiert sei. Am 20. August muss Griechenland 3,4 Milliarden Euro an die EZB überweisen. Deshalb wird angestrebt, bis dahin die erste Kredittranche auszahlen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte sich am Mittwoch im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP zuversichtlich gezeigt, dass bis zum 20. August eine Einigung gelingt. Auch der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte, die Verhandlungen seien »in der letzten Gerade«.

In Berlin wird das Zeitdruck-Argument wohl nicht zuletzt deshalb strapaziert, damit die umstrittenen Auflagen der Gläubiger nicht aufgeweicht oder deren Umsetzung verschoben werden. Am Donnerstag war berichtet worden, dass die SYRIZA-geführte Regierung womöglich die Beschlussfassung über den von den Gläubigern verlangten Stopp der Frühverrentungen und die Streichung von Steuervorteilen für Landwirte auf den Herbst verschieben könnte. Auch innerhalb von SYRIZA ist das stark umstrittenen, Tsipras wird dafür derzeit keine eigene Mehrheit im Parlament bekommen.

Ob Griechenland bis Ende August eine erste Auszahlung aus einem neuen Kreditprogramm erhält, wird sich wohl am kommenden Wochenende entscheiden. Sollten sich die Vertreter von EU, EZB, Internationalem Währungsfonds und Euro-Rettungsfonds ESM mit der Athener Regierung kommende Woche auf eine Vereinbarung einigen, würden die Euro-Finanzminister vermutlich am Freitag über das Ergebnis beraten. Dazu sei eine Telefonkonferenz angedacht, hieß es. Am 17. oder 18. August könnte dann der Bundestag in einer Sondersitzung über das Ergebnis abstimmen. Am 19. August würden die Euro-Finanzminister die Auszahlung der ersten Kredittranche freigeben.

Derweil geht die Debatte über die Europapolitik und die Zukunft von Euro und EU weiter. Der Freiburger Historiker Jörn Leonhard bezeichnete die bisherige europäische Integrationspolitik als nicht mehr zukunftsfähig. »In der aktuellen Krise zeigt sich: Das alte Modell, wie Europa zusammengewachsen ist - immer mehr Integration, keine Rückschritte -, funktioniert nicht mehr«, sagte Leonhard der »Rheinischen Post«. Ein neues Modell sei aber noch nicht in Sicht. Auch daher rühre »die erkennbare Erschöpfung vieler Politiker«.

Eine Lehre aus der Griechenland-Krise sei nach Auffassung von Leonhard, »dass die Unumkehrbarkeit als europäische Staatsräson in eine Krise geraten ist. Ein riesiger Fehler wäre es zu sagen: Nur Unumkehrbarkeit sichert Frieden. Der Fetisch der Unumkehrbarkeit schränkt unsere politischen Möglichkeiten ein, rational über andere Optionen zu sprechen.« Leonhard kritisierte auch die europäische Krisenpolitik der vergangenen Jahre: »Die Menschen merken es, wenn die Regeln über jede Grenze hinaus gebogen werden, nur um zu beweisen, dass es keinen Rückschritt gibt. Wenn die Glaubwürdigkeit der Preis für die Unumkehrbarkeit ist, wäre das ein sehr hoher Preis.«

Trotzdem sieht der Historiker in der Krise auch Chancen: »Über Europa ist lange nicht so intensiv gesprochen und nachgedacht worden: über die Leistungen - und über die Probleme. Das ist belastend, aber auch hilfreich, wenn daraus die Erkenntnis erwächst, dass wir nicht weitermachen können wie bisher.« Vor allem das Europäische Parlament hat nach seiner Ansicht »ein enormes Potenzial«: Der Auftritt von Griechenlands Premier Alexis Tsipras in Straßburg sei »ein Event« gewesen. »Europa ist mehr als die Limousinen der Staatschefs, und die Gehäuse der Nationalstaaten werden durchlässiger.«

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner forderte unterdessen abermals ein Insolvenzrecht für Staaten - und machte sich für einen Grexit stark. »Wir brauchen jetzt dringend einen Plan B, inklusive eines Staaten-Insolvenzrechts«, sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur. »Griechenland und Europa wäre besser geholfen, wenn man der Tatsache ins Auge blickt, dass eine Neustrukturierung der Schulden nötig ist. Das setzt aber ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion voraus.« Dies würde in der verbleibenden Eurozone einen Neustart in dem Sinne ermöglichen, dass die Regeln für alle auch wirklich Bestand haben, meinte Lindner. Dies sei im übrigen auch die wichtigste Voraussetzung dafür, dass die Briten in der EU verbleiben. Auf der britischen Insel müsse sichtbar werden, dass sich die Europäische Union weiter Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet fühle.

Seine »Hauptsorge« sei, dass die Kopenhagener Beitrittskriterien, nach denen alle EU-Staaten Marktwirtschaft und Rechtsstaat anstreben sollen, zunehmend relativiert würden - der Rechtsstaat durch Regierungschef Victor Orban in Ungarn, die Marktwirtschaft durch Tsipras in Griechenland. »Beides unterspült das Fundament des europäischen Einigungsprozesses.« Agenturen/nd

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