Alle wollen den Nordpol
Arktis-Anrainer mit überlappenden Forderungen / Moskau reicht Dokument bei Festlandsockelkommission ein
Als Robert Peary 1909 den Nordpol erreichte, sandte er ein Telegramm an US-Präsident Roosevelt: »Amerikanische Flagge am Nordpol gepflanzt!« Roosevelts Kommentar spiegelt die Haltung wider, die bis vor wenigen Jahren noch vorherrschend war: Was soll ich damit? Die Arktis wurde als weiße Wüste betrachtet, die wirtschaftlich wertlos, geografisch unzugänglich und klimatisch herausfordernd ist. Während des Kalten Krieges wurde die Arktis lediglich als kürzester Weg für die Atomraketen und »Tarnkappe« für die U-Boot-Flotten der Kontrahenten betrachtet. Doch seitdem die Abschmelzung des polaren Eises neue Möglichkeiten der Rohstoffsuche eröffnet, wird die Nordkappe der Erde als potenzielle Goldgrube der Rohstoffgewinnung betrachtet.
Vor diesem Hintergrund haben die Anrainerstaaten umfangreiche Programme in Gang gesetzt, um entsprechend dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) ihre Forderungen zur Abgrenzung des Festlandsockels anzumelden. Das SRÜ eröffnet ihnen die Möglichkeit, ihre wirtschaftlichen Zonen auf dem Meeresgrund weit über die Seegrenzen hinauszuschieben. Norwegen ist bereits im Ziel und hat seine Ansprüche von der Festlandsockelkommission bestätigt bekommen. Dänemark meldete seine Forderungen 2014 an. Russland legte seine Forderungen bereits 2001 vor. Damals wurden sie jedoch zurückgestellt, da die Kommission mehr wissenschaftliche Dokumentation für eine Beurteilung forderte. Daran arbeitete Moskau sehr intensiv in den vergangenen Jahren. Die berühmte Pflanzung der russischen Flagge auf dem Meeresboden 2007 fand im Rahmen einer solchen Expedition statt.
Die jetzt vorgelegten Forderungen sind deutlich umfangreicher als jene von 2001. Damals endete das erhoffte russische Wirtschaftsgebiet in einem spitzen Winkel am Nordpol, doch nun geht es weit über den Nordpol hinaus bis dicht an die Grenzen der kanadischen und der dänisch-grönländischen Wirtschaftszone heran. Sie alle meinen, dass ihre Festlandsockel geologisch mit den unterseeischen Lomonossow- und Medwedjew-Bergrücken zusammenhängen. Träfe es zu, würde das die wissenschaftliche Begründung für die politischen Forderungen bilden, aber auch territoriale Überlappung von einigen zehntausend Quadratkilometern Meeresboden bedeuten. Angesichts der Rohstoffjagd hat der Vorschlag, die Hocharktis zu internationalem Gebiet zu erklären, wenig Chancen.
Die Festlandsockelkommission hat Dutzende Anträge aus allen Meeresgebieten der Welt zu bearbeiten. Da Russlands Forderungen eine Wiederaufnahme eines Vorganges von 2001 sind, hat die weitere Bearbeitung Vorrang, während die dänische Anmeldung erst in den kommenden Jahren geprüft wird. Kanada ist noch bei der Dateneinsammlung. Die Folge ist politische Unsicherheit über die Zugehörigkeit weiter Teile der Arktis. Bis auf Weiteres folgen alle Anrainerstaaten den vorgeschriebenen Wegen des internationalen Rechtes, aber Sicherheitsexperten fürchten schon, dass die drohende Militarisierung der Arktis Konfliktstoff aufhäuft, der schwer abzubauen sein wird.
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