Ein Lehrstück über Leerstand
Hilflosigkeit, Halbherzigkeit und Härte dominieren die Flüchtlingsdebatte
Berlin. Während der Zustrom von Flüchtlingen nicht abreißt - innerhalb von drei Tagen wurden 1417 meist syrische Migranten vor und auf den griechischen Inseln Kos, Chios, Agathonisi, Samos und Lesbos aufgegriffen -, wird in der Bundesrepublik weiter um den Umgang mit Asylbewerbern diskutiert. Die einen fabulieren über schnellere Abschiebungen, neue Nachrichten von rassistischen Übergriffen machen die Runde und in Union wie SPD wird über sichere Herkunftsländer palavert.
Indes sorgt der Vorschlag von Baden-Württembergs Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann, überproportional viele Flüchtlinge in den ostdeutschen Ländern unterzubringen, weil dort der Wohnungsleerstand mit 9,1 Prozent bedeutend höher ist als im Westen (2,2 Prozent des Wohnungsbestandes), für unterschiedliches Echo. Nicht nur seine Amtskollegen in den neuen Ländern versuchen abzuwiegeln, auch der Mieterbund äußert Bedenken. Direktor Lukas Siebenkotten verwies auf die Gefahr zunehmender sozialer Spannungen: »Ich glaube nicht, dass es dem sozialen Frieden dient, die Situation in Gebieten, in denen ohnehin schon eine angespannte soziale Lage herrscht, weiter anzuheizen.« Vielmehr gehe es darum, dass die Bundesregierung endlich den sozialen Wohnungsbau vorantreibe, sagte er dem »nd«.
Der frühere DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer erinnerte daran, dass der Umgang mit Flüchtlingen gemeinsames Problem und gemeinsame Verantwortung sei. Allerdings sitze das Verletzungsgefühl vieler Ostdeutscher, sie seien nicht gleich geachtet, noch tief. Menschen mit Erniedrigungserfahrungen reagierten so, dass sie sich »nach unten hin abreagieren«. nd Seiten 2, 3, 7 und 11
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