Pfui-bäh-Reflex

Regina Stötzel über Sexarbeit und Arbeit auf dem Bau

Wenn Arbeiter auf einer Baustelle schlecht behandelt werden, kommt niemand auf die Idee, das Baugewerbe zu verbieten und alle Bauunternehmer zu Kriminellen zu erklären. Im Namen von Recht und Gesetz wird man stattdessen die Klagen der Arbeiter anhören, sie in ihren legitimen Forderungen unterstützen und kriminelle Machenschaften anklagen.

Dass Amnesty International in dieser Hinsicht Prostitution ähnlich wie das Baugewerbe behandeln will, ist eine Entscheidung gegen die Gesetzgebung vieler Staaten und die Moral unzähliger Menschen. Sie ist sehr unpopulär und daher sehr mutig. Nur zu erwartbar waren auch die passenden Äußerungen, nach denen nun der Ruf der Menschenrechtsorganisation »befleckt« sei. Selbst bei jenen, die angeblich die Prostituierten schützen wollen, herrscht der Pfui-bäh-Reflex vor, der all das, Sie wissen schon, am liebsten verschwinden lassen würde.

Nun mag man Zuhälter wie Freier verachten, die Tätigkeit von Prostituierten persönlich für unzumutbar halten und sich eine Welt ohne käuflichen Sex wünschen: Prostitution existiert dennoch und verschwindet durch kein Verbot. Wie Prostituierte vor Zwang, Gewalt und Missbrauch zu schützen sind, wissen ihre Berufsverbände am besten. Die fordern als erste Maßnahme die Anerkennung von Sexarbeit als rechtmäßige Arbeit. Denn nur wo es Recht gibt, kann gegen Unrecht vorgegangen werden. Anders als viele andere Menschenfreunde hat Amnesty International die Betroffenen angehört und entsprechend gehandelt.

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