SYRIZA-Linke eröffnen »neue politische Front«

Gründung einer »vereinten Bewegung« gegen Gläubiger-Auflagen und Kurs von Regierungschef Tsipras angekündigt: Motto »OXI wird nicht besiegt«

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 5 Min.

Auf dem linken SYRIZA-Flügel wird immer offener über die Bildung einer neuen Bewegung gegen das Kreditprogramm und die umstrittenen Auflagen der Gläubiger gesprochen - eine Bewegung, die allerdings auch gegen die SYRIZA-Mehrheit gerichtet ist. Stathis Kouvelakis, Vorstandsmitglied von SYRIZA, würde das aber wohl anders formulieren: Die »neue politische Front« erwachse aus einer zunehmenden Auflösung der regierenden Linkspartei, so der Exponent der Linken Plattform.

Schon vor einigen Tagen hatten der frühere Energieminister Panayiotis Lafazanis und elf weitere SYRIZA-Politiker zur Gründung einer »vereinten Bewegung« aufgerufen, die sich politisch für die »Sehnsucht der Menschen nach Demokratie und sozialer Gerechtigkeit« einsetzen wolle - etwas, dass die Kritiker von Premier Alexis Tsipras offenbar nicht mehr durch ihre eigene Partei gewährleistet sehen.

Kostas Lapavitsas, ebenfalls einer der Vertreter der Linken Plattform in der Partei, hatte die Arbeit »an einem politischen Programm« angekündigt und in einem Interview mit dem »Tagesspiegel« mit Blick auf den Ausgang des Referendums Anfang Juli erklärt, man wolle nun »das ›Nein‹ in eine entschiedene politische Stimme für die kommende Periode« verwandeln. Es gehe um »ein Wirtschaftsprogramm, das ein Gegenmodell zum Bail-out« (so genanntes Rettungsprogramm) biete.

»Der Kampf gegen die neue Vereinbarung beginnt jetzt«, kündigte Lafazanis mit Blick auf die Einigung über die umstrittenen Auflagen für ein neues Kreditprogramm laut der Athener Zeitung »Kathimerini« an. Man wolle nun die »Menschen in jeder Ecke des Landes« mobilisieren. Lafazanis und die elf anderen Unterzeichner kritisierten, der Deal mit den Gläubiger-Institutionen richte sich gegen den Willen von mehr als 61 Prozent der Griechen, die beim Referendum Anfang Juli mit »Nein« gestimmt hatten.

Auch Kouvelakis sagte gegenüber »Spiegel online«, eine neue Bewegung werde »nun endlich auf die Griechen hören, die im Referendum gegen die Sparmaßnahmen gestimmt haben. All jene, die von der Regierung Tsipras enttäuscht sind«. Zur Politik des Premiers und SYRIZA-Vorsitzenden, der die Vertrauensfrage stellen wird und damit wohl Neuwahlen anstrebt, erklärte er, »das Glas ist zerbrochen. Offensichtlich spielt Tsipras nun seine letzte Karte, versucht es noch einmal mit Erpressung. Doch damit kommt er nicht durch«. Die Griechen würden »begreifen, dass man sie betrogen hat. Und Alexis Tsipras ist nicht der unantastbare Politiker, den manche gern in ihm sehen«, wird Kouvelakis von »Spiegel online« zitiert.

Nicht ganz nebensächlich ist wohl, dass der Noch-SYRIZA-Mann später im Sozialen Netzwerk Facebook anmerke, man könne freilich nicht mit der Terminologie des »Spiegel online«-Beitrags übereinstimmen, in dem zum Beispiel von »Hardlinern« die Rede ist. Es handele sich aber immerhin um einen Versuch, über die Positionen der Linken Plattform zu berichten, deren Vorstellungen in der üblichen Griechenlandberichterstattung allenfalls als kurze Anmerkungen über die »Abweichler« von der Tsipras-Line auftauchen.

Der Premier hatte in der Nacht zum Freitag im Parlament von Athen seine Position zu den Gläubiger-Auflagen noch einmal bekräftigt: »Ich bedaure nicht, dass ich - soweit ich weiß - wie kein anderer für die Rechte des griechischen Volkes gekämpft habe. Und ich bedaure auch nicht, dass ich mich auf den Kompromiss und damit das Rettungspaket eingelassen habe - statt der Mehrheit der Griechen eine heldenhafte Selbsttötung zu bescheren«, so der SYRIZA-Chef. Man müsse »der Realität ins Auge sehen - wir hatten die Wahl zwischen einem Rettungsschirm mit dem Euro oder der Rückkehr zur Drachme«.

Letzteres, ein Rauswurf aus der Eurozone, ist laut Tsipras nicht nur weiterhin das Ziel von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Es wird auch von einigen SYRIZA-Linken als Option betrachtet - in der Form eines selbstbestimmten Grexits. Eine Rückkehr zur Drachme könne den politischen Spielraum einer linken Regierung erhöhen, glaubt man. Programmatisch will sich die nun angekündigte Anti-Bail-out-Bewegung aber »nicht auf die Währungsfrage« versteifen, diese sei »nur eins von vielen Werkzeugen«, so Kouvelakis.

Eines, das die SYRIZA-Linken aber gern in die Hand nehmen. Lafazanis von der Linken Plattform hat in einem Interview auf der Website der Parteiströmung jetzt noch einmal kritisiert, dass die Führung der Linkspartei, statt einen Plan B zu verfolgen oder wenigstens in der Hinterhand zu entwickeln, gegenüber denjenigen, die die Regierung erpresst haben, »Treue-Eide auf das Engagement für den Euro« geschworen hätten. Seit Jahren würde er die Meinung vertreten, dass gegen die »reaktionäre neoliberale Ausrichtung der EU« auch »ein möglicher Austritt aus der Eurozone« eine linke Option sein müsse - dieser sei »keine Katastrophe«, sondern könne »verbunden mit einem radikalen progressiven Programm« für Griechenland einen Weg aus der Krise ebnen.

Lafazanis sieht SYRIZA auf einem »beispiellosen Rückzug« von den eigenen Wahlversprechen und vor einer »Mutation« der Linkspartei mit ungewissem Ausgang. Sein Lager wolle sich unter dem Motto »OXI wird nicht besiegt. Der Kampf geht weiter« nun für eine »breite patriotische, demokratische, progressive Front« einsetzen. Diese solle offen sein für alle linken Kräfte, die das Memorandum ablehnen. Ob die Kommunistische KKE ebenfalls Teil eines solchen Bündnisses sein könnte, ließ Lafazanis offen. Er fordert in dem Iskra-Interview aber dazu auf, die »große Tradition der EAM« wiederzuentdecken - unter diesem Kürzel hatten sich im griechischen Bürgerkrieg nach dem Zweiten Weltkrieg die linken und antimonarchistischen Kräfte zusammengeschlossen.

»Wenn es jemanden gibt, der denkt, er hätte einen besseren Kompromiss erreichen können, soll er jetzt vortreten und das sagen«, hatte SYRIZA-Chef Tsipras bei der letzten ZK-Tagung mit einiger Wut im Bauch in Richtung derer erklärt, die zwar immer laute Kritik äußern würden, aber keine belastbaren Alternativvorschläge machten. Darauf wollen die SYRIZA-Linken mit dem von Lapavitsas avisierten Programm reagieren. Und um das Programm wird es auch bei dem Sonderparteitag von SYRIZA im September gehen, auf den sich der Führungszirkel der Linkspartei mehrheitlich verständigt hatte.

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