Die Angst vorm Krieg
Russische Bürgerrechtler kritisieren Konfrontationskurs
Mehrfach könne die Menschheit sich mit dem derzeitigen Kernwaffenarsenal selbst auslöschen. Schlafwandlerisch taumele die Welt dem Abgrund entgegen. »Wir, die Unterzeichner, fordern den sofortigen Stopp der Konfrontation und eine Rückkehr zu politischen Lösungen sämtlicher Konflikte.« Das ist der letzte Satz einer Online-Petition, die bereits Hunderte Bürger Russlands unterzeichneten. Ins Netz gestellt haben sie nicht etwa Agitprop-Soldaten eines staatlich alimentierten Friedenskomitees wie in der Sowjetunion zu Zeiten des Kalten Krieges. Verfasser ist vielmehr die Bürgerrechtsbewegung Solidarnost, die gewöhnlich kräftig gegen den Strich bürstet und laut offizieller Sprachregelung zur »Fünften Kolonne« zählt.
Auch in der Ukraine-Krise stehen Solidarnost und Co. auf der anderen Seite der Barrikade, warnen jedoch vor der weiteren Eskalation der Spannungen zwischen Russland und NATO und teilen dabei nach beiden Seiten aus. Durch jüngste Manöver Russlands und der NATO würde die Wahrscheinlichkeit eines Krieges in Europa steigen. Übungen, für die stets »sehr sensible Regionen« gewählt werden, hätten keinen abstrakten Charakter mehr, sondern konfrontativen. Die jeweils andere Seite nehme sie als Provokation wahr, das Misstrauen wachse.
Fakten bestätigen das. Bei der Hälfte der insgesamt 270 Manöver, die die NATO für 2015 mit insgesamt über 50 000 Soldaten plant, wird der Schutz Osteuropas unmittelbar an Russlands Grenzen geübt. Die Allianz, so Alexander Gruschko, Moskaus Botschafter bei der NATO, setze Russland gegenüber auf Abschreckung. Russland werde jedoch auf jede Gefahr an seinen Grenzen reagieren. Auf der Agenda des Verteidigungsministeriums stehen daher für das laufende Jahr insgesamt rund 4000 Übungen. Vor allem im westlichen Militärbezirk und in der Arktis. Dabei kommen ca. 80 000 Soldaten zum Einsatz, darunter auch Kernwaffentruppen. Moskau reagiert damit auf Ankündigungen der USA, wonach bei dem NATO-Manöver Trident Juncture 15 im Herbst auch der Einsatz von Nuklearwaffen geprobt wird.
Üben wollen beide Seiten außerdem schnelle Mobilisierung und Umgruppierungen über große Entfernung. Washington will nach russischen Erkenntnissen zudem Produktion und Stationierung einer neuen Generation taktischer B-61-21-Nuklearwaffen in Kontinentaleuropa forcieren.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.