LINKE: Aufnahme statt Abschreckung!
Jelpke: Bund muss Kosten für Unterbringung Geflüchteter komplett übernehmen / Bischof Dröge: Debatte über Geld- Und Sachleistung geht an eigentlichen Problemen vorbei / Entwicklungsminister Müller fordert Flüchtlingskommissar
Update 17.10 Uhr: Ärzte: fordern besser medizinische Versorgung von Flüchtlingskinder
Der Verband der Kinder- und Jugendärzte hat eine bessere Versorgung minderjähriger Flüchtlinge gefordert. Es sei dringend nötig, bei allen Ankömmlingen einen lückenlosen Impfschutz sicherzustellen, sagte Verbandspräsident Wolfram Hartmann dem Berliner »Tagesspiegel« (Mittwochsausgabe). Zudem müssten Asylbewerber wie in Bremen und Hamburg von Anfang an Krankenversicherungskarten erhalten, um mit ihren Kindern unbürokratisch Ärzte aufsuchen zu können.
Hartmann sagte, in einigen Herkunftsländern grassierten gefährliche Krankheiten wie Kinderlähmung oder Tuberkulose. Dennoch blieben zahlreiche Flüchtlingskinder hier aufgrund fehlender Kapazitäten und unzureichender Finanzierung viel zu lange ungeimpft.
Der öffentliche Gesundheitsdienst sei durch die hohen Flüchtlingszahlen »völlig überfordert«, sagte Hartmann. Es gebe kaum Dolmetscher und keinerlei Koordination. Vorsorgeuntersuchungen oder eine zielgerichtete Behandlung kriegstraumatisierter Kinder kämen gar nicht zustande.
Inzwischen praktizierten viele Mediziner ehrenamtlich in den Aufnahmelagern. Allerdings fehle es immer wieder an Impfstoffen, die Finanzierung sei vielerorts ungeklärt, sagte Hartmann. Da sich der Impfstatus bei den Flüchtlingen wegen fehlender Dokumente kaum ermitteln lasse, müssten eigentlich alle Asylbewerber komplett durchgeimpft werden.
Update 15.00 Uhr: Kretschmann will Asylverfahren für Syrien-Flüchtlinge abschaffen
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fordert, dass syrische Flüchtlinge kein herkömmliches Asylverfahren mehr durchlaufen müssen. »Ich fordere den Bund auf, für Menschen mit klarer Bleiberechtsperspektive das Verfahren zu beschleunigen«, sagte Kretschmann nach einem Besuch der Landeserstaufnahmestelle am Dienstag in Karlsruhe. Letztlich laufe seine Forderung eine weitere Kontingentlösung für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge hinaus.
Generell müssten die Asylverfahren weiter verkürzt werden, unterstrich Kretschmann. Die lange Wartezeit von durchschnittlich sieben Monaten sei ein hoher Stressfaktor für Flüchtlinge.
»Ich bedauere es außerordentlich, dass der Bund mit einem Einwanderungsrecht nicht vorankommt«, sagte der Ministerpräsident. Für Menschen aus den Balkanstaaten seien »legale Zuwanderungskorridore« nötig. Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten dürften nicht in der Sackgasse der Asylverfahren landen. Er sei offen für Vorschläge, die sicheren Herkunftsländer auszuweiten. Allerdings werde dem Thema eine zu große Bedeutung beigemessen. Die Ausweitung löse die Probleme der Zuwanderung nicht, sagte Kretschmann.
Update 14.40 Uhr: LINKE fordert Aufnehmen statt Abschrecken
Angesichts weiter steigender Flüchtlingszahlen hat die LINKE davor gewarnt, die Entwicklung für Populismus und Panikmache zu missbrauchen: »Gerade angesichts steigender Asylzahlen verbietet es sich, Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen, wie es etwa bei der Debatte um einen angeblich massenhaften Asylmissbrauch oder die verfassungswidrige Kürzung des Existenzminimums für bestimmte Flüchtlingsgruppen geschieht«, so die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke.
Die Politik müsse dazu übergehen, nicht länger über »restriktive und abschreckende Maßnahmen zu debattieren«, sondern sollte sich auf die menschenwürdige Unterbringung der Ankommenden konzentrieren. Dazu müsse der Bund auch die Kosten der Aufnahme- und Unterbringung vollständig übernehmen. Auch die bisherige Verteilung auf die jeweiligen Bundesländer müsse überdacht werden. »Um Aufnahmestrukturen zu entlasten und Asylverfahren zu beschleunigen, sollten Asylsuchende von Beginn an bei Verwandten und Bekannten oder in privaten Wohnungen unterkommen können, sofern ihnen dies möglich ist«, fordert Jelpke.
Update 13.15 Uhr: Umstrittene »Princess of Finkenwerder« wird nicht Betreiber einer Flüchtlingsunterkunft in Osterode
Die umstrittene Firma »Princess of Finkenwerder« wird nicht Betreiber einer möglichen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge im niedersächsischen Osterode. »Dafür kommt das Unternehmen nicht mehr in Betracht, das steht fest«, sagte der Sprecher des Innenministeriums in Hannover, Matthias Eichler, am Dienstag dem epd. Nach Recherchen von NDR und der Zeitung »Die Welt« bestehen Zweifel an der wirtschaftlichen Bonität von »Princess of Finkenwerder«, es könnte es sich demnach bei dem Unternehmen um eine sogenannte Briefkastenfirma handeln.
Die Verhandlungen über eine Anmietung der ehemaliger Osteroder Rommel-Kaserne durch das Land gingen aber weiter. »Princess of Finkenwerder« hatte Teile des Areals im vergangenen Jahr für 160.000 Euro erworben uns ist seit Donnerstag vergangener Woche auch im Grundbuch als Besitzer eingetragen. Seinen Internet-Auftritt hatte »Princess of Finkenwerder« vor kurzem gelöscht.
Kritik an der Firma kam auch von Parteien, Initiativen und der evangelischen Kirche in Osterode. Sie äußerten Bedenken, weil das Unternehmen keine einschlägigen Erfahrungen mit Flüchtlingsunterkünften habe. Außerdem verwiesen sie auf Verbindungen Kochs zu dem Geschäftsmann Jan Karras, der Personenschutz für Prominente und Söldner für Auslandseinsätze vermitteln soll.
Um das Geschäftsgebaren von »Princess of Finkenwerder« aufzuklären, will die Bürgerinitiative »Für Osterode« nun einen Fragenkatalog erarbeiten. Er solle ans Innenministerium in Hannover und an die Agentur des Schauspielers Til Schweiger geschickt werden. Schweiger hatte kürzlich angekündigt, »gemeinsam mit Freunden« ein »Musterwohnheim« in Osterode aufzubauen. »Princess of Finkenwerder«-Geschäftsführer Koch hatte gegenüber dem epd bestätigt, er sei mit Schweiger befreundet.
Nach Angaben des »Harz Kurier« (Dienstagausgabe) hat Schweiger mittlerweile erklärt, er wolle sich im Rahmen einer Stiftung in Osterode engagieren. Dem Blatt zufolge hat zudem der Landkreis Osterode als Bauaufsichtsbehörde inzwischen angeordnet, Anträge von »Princess of Finkenwerder« nur noch gegen Vorauszahlungen oder einen Vorschuss zu bearbeiten.
Update 12.00 Uhr: Entwicklungsminister fordert Flüchtlingskommissar
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat die Flüchtlingspolitik der EU kritisiert und die Ernennung eines dafür zuständigen Kommissars verlangt. »Bei einer Naturkatastrophe hätte die EU längst reagiert«, sagte Müller der »Passauer Neuen Presse« vom Dienstag. »Die Europäische Kommission muss sofort vom Urlaubs- auf den Notstandsmodus umschalten.« Brüssel stelle sich den Herausforderungen der Flüchtlingskrise in völlig unzureichendem Maße, sagte der Minister.
»Wir brauchen endlich einen europäischen Flüchtlingskommissar.« Dabei gibt es diesen längst. Der Grieche Dimitris Avramopoulos ist seit November 2014 ist er Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft.
Zudem schlug Müller unter anderem auch ein Nothilfeprogramm für die Nachbarstaaten Syriens vor. Aus EU-Töpfen sollten mindestens zehn Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden.
Müller forderte zugleich eine konsequente Bekämpfung der Schleuserkriminalität. Um die Schleuseraktivitäten zu stoppen, schlug er eine von der UN und der Afrikanischen Union geführte Mission zu deren Bekämpfung vor. »Die afrikanischen Regierungschefs müssen in die Pflicht genommen werden, um den Exodus aus ihren Ländern zu stoppen.«
Müller begrüßte zugleich den Plan von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), die Leistungen für Asylbewerber auf den Prüfstand zu stellen. »Gerade bei den Balkan-Flüchtlingen wird deutlich, welch große Rolle unsere Bargeld-Leistungen spielen.« Medienberichten zufolge erwartet die Bundesregierung für das laufende Jahr inzwischen 650.000 oder sogar 750.000 Flüchtlinge in Deutschland und damit deutlich mehr, als die bislang vorhergesagten 450.000 Menschen.
Dröge: Flüchtlinge nicht abschrecken!
Berlin. Bischof Markus Dröge hält die Diskussion über Geld- oder Sachleistungen für Flüchtlinge für Symbolpolitik. »Aber die Debatte, die jetzt geführt wird, geht, glaube ich, an den Problemen vorbei«, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am Dienstag dem Deutschlandfunk. Wenn man jetzt wieder auf Sachspenden umschwenke, sei das ein riesiger Verwaltungsaufwand. »Ich glaube, das soll eine abschreckende Wirkung haben, aber ich glaube nicht, dass das funktioniert.«
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte in der Tageszeitung »Die Welt« (Montagsausgabe) gefordert, das Taschengeld für Asylsuchende aus den Balkanstaaten drastisch zu kürzen. »Die Zuwendungen für diese Gruppe sind eine Zumutung für die deutschen Steuerzahler«, sagte er. Die Grünen reagierten empört. Herrmann versuche auf einer rechtspopulistischen Welle mitzureiten, sagte die Parteivorsitzende Simone Peter.
Im Moment sei dringender zu fragen, sagte Dröge, was getan werden müsse für die Menschen, die kämen. Statt nur eine Abschreckung aufzubauen, die keine Probleme löse, müsste die deutsche Gesellschaft über die tieferen Probleme der Asylpolitik nachdenken. »Kurzfristig ist es einfach nötig, die Menschen, die hier herkommen, angemessen zu behandeln, Notunterkünfte zu schaffen, natürlich auch schnellere Verfahren einzurichten, damit hier die Menschen, die zu uns kommen, nicht ewig auf eine Entscheidung warten müssen«, sagte der Bischof.
Zudem sei es langfristig notwendig, dafür zu sorgen, dass die Fluchtursachen behoben würden. »Das hört man nicht gerne, weil das ist eine wirklich schwierige Aufgabe, aber wir müssen darüber nachdenken, was können wir tun, damit in den Ländern, aus denen die Menschen kommen, die Situation verbessert wird«, sagte Dröge dem Deutschlandfunk. Es könne nicht sein, dass man nur noch die Hoffnung habe, in Europa in dieser Welt anständig zu leben.
Dröge bekräftigte die Forderung der evangelischen Kirche, ein neues Einwanderungsgesetz zu schaffen. Das sei ein Signal für die Asylsuchenden und Einwanderer nach Deutschland. »Das gibt dann auch die Möglichkeit, diejenigen, die nicht Asyl beantragen können, zu sagen, welche Bedingungen gibt es denn, was muss ich erfüllen, um in Deutschland eine Zukunft für mich und meine Familie zu ermöglichen«, sagte Dröge. Deswegen sei es auch nichts Schlimmes, wenn die Gesellschaft frage, was sie in Zukunft für die eigene Wirtschaft brauche. epd/nd
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