Gut abgehangen
Im Kino: »Broadway Therapy« von Peter Bogdanovich
Die Prämisse dieses Films ist so abwegig, dass sie schon wieder Spaß macht: Ein erfolgreicher Theaterregisseur mit sehr, sehr tiefen Taschen liebt seine Familie - aber mindestens ebenso sehr liebt er die ungemein befriedigende Einrichtung des Sex auf Abruf, sprich: wechselnde Call Girls. Dieser Arnold Albertson ist außerdem gern der letzte Kunde im Leben seiner käuflichen Gespielinnen. Das macht ihn in der leichtgewichtigen Ehebruchskomödie »Broadway Therapy« glücklicherweise nicht zum Serienkiller, sondern eher zu einem Philanthropen - auf Kosten seiner nichtsahnenden Gattin, versteht sich. Die aber ist, nur um die Schraube noch etwas weiter anzudrehen, nicht nur die Mutter seiner Kinder, sondern auch der Star in seinem nächsten Stück am Broadway.
Weil Mrs. Albertsons männlicher Ko-Star vor Jahren mal kurzzeitig ihr Lover war (was ihm offenkundig in guter Erinnerung blieb) und weil das blondgelockte jüngste Rettungsprojekt von Mr. Albertson aus dem nahe gelegenen Brooklyn stammt und als Call Girl nur rein broterwerbshalber arbeitet, bis es mit dem ersehnten schauspielerischen Durchbruch (am Broadway!) endlich klappt, weil außerdem der (etwas biedere) Stückeschreiber des Regisseurs mit einer zynischen Ziege von Psycho-Doktor liiert ist, auf deren Couch nacheinander erst die Kunden des Call Girls und dann das Call Girl selber landen, werden die Proben zum neuen Stück von Regisseur, Star und Stückeschreiber ein echter Brüller. Oder vielleicht eher: ein sanftes, anhaltendes Gekicher.
Denn der Humor dieses Films ist ebenso milde wie die meisten seiner Gags vorhersehbar, seine komödiantische Kurve ausdauernd, aber ziemlich flach. Die amourösen Verwicklungen in New Yorker Hotelkorridoren, auf Broadway-Probebühnen und an den Tischen eines angesagten Restaurants sind amüsant, aber mindestens ebenso gut abgehangen wie das Drehbuch, das Regisseur Peter Bogdanovich vor nun schon anderthalb Jahrzehnten mit seiner (damaligen) besseren Hälfte verfasste. Ein etwas abgespeckter Schnitzler trifft da auf einen Woody Allen etwas unterhalb seiner besten Filme - und nimmt dabei einen kleinen, aber wichtigen Umweg über den späten Lubitsch. Denn aus dessen letztem Film (geschrieben von Samuel Hoffenstein) stammt der Satz, der hier zur verbalen Erkennungsmelodie aller geretteten Call-Girl-Seelen wird, denen der Regisseur als wohltätiger Ehebrecher einen Neustart finanzierte.
Der Satz hat was mit Individualität und dem Leben jenseits des Mainstream zu tun, vordergründig auch mit Eichhörnchen und Nüssen und am Rande noch damit, wer im Park wen frisst und warum. Einmal angebracht, ist er zunächst rätselhaft und könnte deshalb beinahe tiefgründig wirken. Bei der ersten Wiederholung wirkt der Schnack noch lustig. Bei der dritten Wiederholung verliert er, was an Witz je in ihm steckte, dient aber immerhin brillant dazu, den Club ehemaliger Call Girls auf Zuruf zu identifizieren, der Albertson bald als vielstimmiger Chor durch seinen New Yorker Alltag begleitet. So hatte er sich das mit dem seelenweisen Weltenretten wohl doch nicht vorgestellt. Könnten ihn diese Ex-Call-Girls in ihren neuen Karrieren nicht vielleicht mit ihrer unerwünschten Dankbarkeit verschonen? Vor allem aber beim Kleiderkauf mit der zusehends misstrauischer werdenden Gattin?
Owen Wilson als Philanthrop und Ehebrecher, die britische Komödiantin Imogen Poots als unwiderstehlich treuherzige Dizzy Izzie aus Brooklyn, Jennifer Aniston als indiskret-neurotische Psycho-Klempnerin und, in geringerem Dialog-Umfang, Kathryn Hahn als düpierte Gattin, Will Forte als mäßig begabter Stückeschreiber, Rhys Ifans (der walisische Bürgerschreck, der mit Hugh Grant das Haus mit der blauen Tür teilte in »Notting Hill«) als Ko-Star sowie eine unterforderte Illeana Douglas als bloße Stichwortgeberin in der etwas schwerfällig geratenen Rahmenhandlung machen ihre Sache soweit gut. Mehr als sie draus machen, gab das Material wohl einfach nicht her. Man hat aber schon schlechtere Popcorn-Filme gesehen.
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