Behörde ohne Fingerspitzen
Martin Kröger über die Auflagen für das Festival gegen Rassismus
Nichts weniger als ein Aufstand der Anständigen wird zurzeit gefordert. Auch in Berlin echauffieren sich Politiker zu Recht über die niederträchtigen rassistischen Übergriffe und Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte. Angesichts dessen müssten sich die Behörden über eine Veranstaltung wie das für übernächstes Wochenende geplante »Festival gegen Rassismus« in Kreuzberg freuen, möchte man meinen.
Doch das Gegenteil ist der Fall: Laut Veranstalter gibt es Auflagen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, dass geschlossene Zelte untersagt sind, weil sie angeblich eine zu große Gefahr darstellen würden. Damit steht die ganze Veranstaltung auf der Kippe. 2012 und 2013, als das »Festival gegen Rassismus« die ersten Male stattfand, war von solchen Auflagen keine Rede gewesen. Die im Anschluss an das Auffliegen der rechten Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)« ins Leben gerufene antirassistische Veranstaltung konnte mit mehreren hundert Teilnehmern auf dem Blücherplatz unbeanstandet stattfinden.
Warum die Bezirksbehörden jetzt derart kleinlich agieren, ließ sich am Mittwoch nicht abschließend klären. Aber dass ausgerechnet das alternative Friedrichshain-Kreuzberg den Veranstaltern Knüppel zwischen die Beine wirft, ist unwürdig. Seit der Auflösung des Camps von Flüchtlingen auf dem Oranienplatz im vergangenen Jahr scheint den Bezirksverantwortlichen die Angst in den Knochen zu stecken, dass die Zelte als Schlafgelegenheiten genutzt werden. An dieser Stelle ist die Politik gefordert, Fingerspitzengefühl zu zeigen. Etwas besseres als ein »Festival gegen Rassismus« kann es in diesen Tagen doch gar nicht geben.
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