Klickzahlen

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Suchbegriffe »Flüchtlinge« und »Heidenau« dürften derzeit in der Trefferliste bei Google ganz weit oben stehen. Für Online-Medien ist die Versuchung groß, das Wort »Flüchtling« oder den Namen der sächsischen Kleinstadt, die durch asylfeindliche Ausschreitungen in die Schlagzeilen geraten ist, in Überschriften zu platzieren, um hierdurch die Klickzahlen nach oben zu treiben. »Geld für Kinder statt Flüchtlinge« hieß es beispielsweise Anfang der Woche in der Überschrift über einen Kommentar auf sueddeutsche.de. Der Teaser wurde noch deutlicher: »Bei der Kinderbetreuung herrscht in Deutschland ein inakzeptables Ost-West-Gefälle. Deshalb müssen frei werdende Mittel aus dem Betreuungsgeld hier investiert werden - und dürfen nicht Flüchtlingen zugutekommen«.

Im Text war von Flüchtlingen oder vom Thema Asyl allerdings gar nicht die Rede. Es ging um das Ost-West-Gefälle bei der finanziellen Ausstattung von Kitas und Ganztagsschulen und um den Streit in der Regierungskoalition, wie die aus dem vom Bundesverfassungsgericht gekippten Mittel aus dem Betreuungsgeld verwendet werden sollen. Die Autorin des Kommentars, die SZ-Redakteurin Constanze von Bouillon, schlug sich auf die Seite der Familienministerin, die das Geld in die Kinderbetreuung investieren will. Es wäre verkehrt, dem Ansinnen des Finanzministers nachzugeben und mit dem Geld »andere Finanzlöcher zu stopfen«. In der Printversion des Kommentars war der Text mit »Es gäbe jetzt Geld dafür« überschrieben. Zugegeben, das ist ein wenig aussagekräftiger Satz, aber er ist sachlich richtig.

Aufgefallen ist die bemerkenswerte Überschriften-Text-Schere einer Reihe von Leserinnen und Lesern. Die »Tagesspiegel«-Redakteurin Tatjana Kerschbaumer twittert: »Ich hoffe, dass @SZ gehackt wurde. Ansonsten: Einfach nur billigste Klick-Masche«. Auf nice-bastard.blogspot.de griff der Blogger Dorin Popa den Vorgang ebenfalls auf und bat den Online-Chef der »Süddeutschen«, Stefan Plöchinger, um eine Stellungnahme. In dieser wies Plöchinger den Vorwurf zurück, es sei der Redaktion um höhere Klickzahlen gegangen. Die »missverständliche Zuspitzung von Überschrift und Teaser« sei leider »zu spät korrigiert« worden. Die ursprünglich gewählte Formulierung in der Überschrift bzw. im Teaser gebe nicht die Meinung der Autorin wider.

Die Online-Redaktion der »Süddeutsche Zeitung« hat Überschrift und Teaser mittlerweile ausgetauscht. Jetzt steht dort »Kinderbetreuung - es gäbe jetzt Geld dafür« und im Vorspann heißt es: »Der Finanzminister erwägt, mit freiwerdenden Mitteln aus dem Betreuungsgeld andere Finanzlöcher zu stopfen. Das wäre bequem, aber verkehrt.«

Übrigens: Auch Popa weiß, wie man Klickzahlen generiert. Sein Text ist mit »Heidenau in den Köpfen der SZ« überschrieben. Um die Stadt in der sächsischen Schweiz geht es in seinem Text aber an keiner Stelle.

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