Fördermittel flossen für Funktionäre
Der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen finanzierte Vorstandsgehälter mit Landesgeld
Flüchtlinge beraten, Behinderte betreuen, Frauenschutzhäuser anbieten, Altenpflegerinnen ausbilden: Beispiele aus dem Leistungsspektrum des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Er ist einer der sechs größten Wohlfahrtsverbände in Niedersachsen, in einer Reihe mit DRK, Caritas, Arbeiterwohlfahrt, Diakonie und Jüdischer Gemeinde. Jährlich bekommt »der Paritätische«, wie er sich auch nennt, vom Land 3,6 Millionen Euro für soziale Aufgaben. Inwieweit sich zu ihnen auch die Vorstandsgehälter der Hilfsorganisation rechnen lassen - diese Frage sorgt zurzeit nicht nur auf der politischen Ebene für Unruhe.
Anlass dazu sind Recherchen des NDR. Ihm war in einem Bericht des Landesrechnungshofes dessen Kritik an »einem Verband« aufgefallen. Dieser habe Landesgelder für Personalausgaben verwendet, hatten die Finanzwächter moniert. Die Rundfunkleute bohrten nach und fanden heraus: Die Rüge betraf den Paritätischen. Er hatte seit Jahrzehnten aus Fördermitteln bis zu 50 Prozent der Bezüge gezahlt, die seine beiden hauptamtlichen Vorstandsmitglieder bekommen. Rund 100 000 Euro pro Nase und Jahr sollen die Spitzenfunktionäre erhalten haben, jeder also bis zu 50 000 Euro aus öffentlichen Geldern, die für Sozialarbeit bestimmt waren.
Zu jenen Gehaltsempfängern zählte auch die amtierende Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD). Sie war bis zum Regierungswechsel Anfang 2013, bis zum Einzug ins rot-grüne Kabinett, 16 Jahre lang hauptamtliches Vorstandsmitglied des Wohlfahrtsverbandes. Heute leitet sie jenes Haus, das über die Vergabe der Fördermittel wachen soll.
Doch eine »wirksame Kontrolle« über den Fluss des Geldes gebe es seitens des Ministeriums nicht, moniert Bernhard Zentgraf, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler. Es sei ein Skandal, das für die Wohlfahrtspflege bestimmte Geld zur Mitfinanzierung der Vorstandsgehälter zu verwenden. Er habe den Eindruck, sagte Zentgraf im NDR, »dass unter dem Deckmantel der mildtätigen Fürsorge für Hilfsbedürftige die Verbandsstruktur gefördert wird«. Die Sozialministerin dürfe in dieser Sache »nicht die Augen zudrücken«.
Wie zu erwarten, geriet Cornelia Rundt sogleich unter Beschuss der Opposition. Reinhold Hilbers, stellvertretender Fraktionschef der CDU, forderte: Die Ministerin müsse den Bedürftigen im Land und den Ehrenamtlichen des Verbandes erklären, »warum Teile der Finanzhilfen nicht bei ihnen angekommen, sondern in die Finanzierung von Verbandsposten geflossen sind«.
Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Christian Grascha, wirft der Ministerin vor, sich vehement dagegen zu wehren, »dass die genaue Verwendung der Fördermittel geregelt und veröffentlicht wird« Nun werde deutlich, weshalb sie das tue: »Sie will damit verschleiern, dass sie einen eigenen Profit aus der gängigen Praxis beim Paritätischen hatte.«
Auch der Präsident des Landesrechnungshofes, Richard Höptner kritisiert, »dass das Land die Förderziele nicht genau definiert hat«. Und auch er konstatiert: Solche Fördermittel dürfen nicht für Vorstandsbezüge ausgegeben werden.
Das Sozialministerium erwidert, es sei rechtmäßig, dass der Wohlfahrtsverband einen Teil der Landesgelder für Personalkosten verwendet. Auch die Vorstandmitglieder leisteten Beratungsarbeit und erfüllten damit einen sozialen Auftrag, erklärt Cornelia Rundts Sprecherin Heinke Traeger sinngemäß. Ähnlich äußert sich die derzeitige hauptamtliche Vorstandsvorsitzende des Paritätischen, Birgit Eckhardt. Doch sie hat aus dem aktuellen Ärger umgehend Konsequenzen gezogen: Fördermittel werden ab sofort nicht mehr zur Finanzierung von Funktionärsbezügen eingesetzt.
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