Historischer Fehlstart
Der USV Jena kassiert in der Frauen-Bundesliga acht Tore gegen den VfL Wolfsburg
So ganz scheinen sie in Jena noch nicht in der neuen Bundesligasaison angekommen zu sein. Das Auftaktspiel gegen den VfL Wolfsburg lief schon, da standen noch zahlreiche Fans vor dem Ticketschalter. Problem: Die Eintrittskarten waren alle.
Mitarbeiter des USV Jena eilten hektisch umher, telefonierten herum, bis einer vorschlug: »Lasst doch die Leute einfach rein, für weniger Geld.« Das Problem war gelöst. »Ich mag Frauenfußball. Da ist alles ein bisschen provisorisch. Nicht so wie bei FIFA-Spielen, wo alles streng durchgeplant ist«, sagte der USV-Mitarbeiter mit einem Grinsen im Gesicht.
Trotz der Hektik hatten die Verantwortlichen gute Laune, wobei die Stimmung nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass bei den Jenaern die Dinge noch nicht rundlaufen. Nicht am Ticketschalter und noch viel weniger auf dem Platz.
Gegen Wolfsburg erlitt Jena ein historisches Debakel und verlor zum Auftakt der Bundesligasaison mit 0:8. Es war die höchste Bundesliga-Niederlage des USV Jena, der seine achte Saison im Oberhaus nicht schlechter hätten beginnen können.
Nur viermal in der Geschichte der Bundesliga kam eine Heimmannschaft deutlicher unter die Räder: Bad Neuenahr und der FSV Frankfurt jeweils mit 0:9, Sindelfingen mit 0:10 und wiederum Frankfurt im September 2005 gar mit 0:13 gegen Turbine Potsdam.
Nach Belieben kombinierten sich die Wolfsburgerinnen durch die gegnerische Abwehr und schossen teilweise richtig schöne Tore. Nach Pass in den Lauf erzielte Tessa Wullaert die Führung (9.). Nach flacher Hereingabe erhöhte Alexandra Popp auf 2:0 (22.). Mit ihrem zweiten Tor erzielte Wullaert das 3:0 (26.), und per Lupfer traf Julia Simic schließlich zum 4:0-Halbzeitstand (36.). Nach der Pause schraubten Verena Faißt (71.), Synne-Sofie Kinden Jensen (76.), Elise Bussaglia (80.) und Vanessa Bernauer nach Zuspiel per Hacke (86.) das Ergebnis weiter in die Höhe.
Die Tabelle nach dem 1. Spieltag spiegelt somit die finanzielle Diskrepanz zwischen beiden Teams exakt wider: Wolfsburg ganz oben, Jena ganz unten. Während der VfL auf einen Jahresetat von mehr als drei Millionen Euro kommt, stehen dem USV gerade einmal 700 000 Euro - eine halbe Million unter dem Ligadurchschnitt - zur Verfügung.
Fast ein Wunder, dass die Jenaerinnen trotz ihrer andauernden Finanzknappheit zuletzt sieben Spielzeiten in Folge den Klassenerhalt geschafft haben. 2014 wurden sie sogar Fünfte, In der vergangenen Saison immerhin Achte. Selbst gegen Spitzenteams konnten sie zuletzt einigermaßen mithalten: 2:3 gegen Potsdam, 1:2 gegen Frankfurt, 1:2 beim FC Bayern, 0:0 in Wolfsburg. Das Auftaktspiel zeigte jedoch, dass der Kampf um den Klassenerhalt in dieser Saison ein ganz hartes Stück Arbeit werden wird.
»Wir wissen, dass wir uns mit den Wolfsburgern nicht messen können«, sagte Trainer Daniel Kraus, der jedoch sein Team in die Pflicht nahm: »Die Mannschaft kann besser spielen. Wir hatten uns mehr vorgenommen. Vielleicht nicht, einen Punkt zu holen, aber defensiv besser zu stehen und mit Herz statt mit Angst aufzutreten.« Kapitänin Iva Landeka versuchte indes, Hoffnung zu verbreiten: »Die Mannschaft hat immerhin gekämpft. Nun müssen wir nach vorn schauen.«
Trotz der hohen Niederlage waren die Anfeuerungen der USV-Fans bis zum Schluss zu hören. Und auch der Stadionsprecher wollte die Leistung der Mannschaft aus dem Stadtteil Jena-Paradies nicht allzu schlechtreden: »Aus dem heiteren Paradies ist heute heiter bis wolkig geworden.« Das Gewitter, so die Botschaft, ist noch nicht hereingebrochen. Nächste Woche beim in etwa gleichwertigen Gegner Bayer Leverkusen wird sich zeigen, ob Unheil aufzieht.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.