Unter grauen Wölfen
Türkische Rechtsextremisten gehen in Berlin gewaltsam gegen Kurden und Linke vor
Nahezu täglich kommt es in Berlin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen nationalistischen Türken auf der einen sowie Kurden und Linken auf der anderen Seite. »Der innertürkische Konflikt wirkt bis Berlin«, sagt der Sprecher der Berliner Polizei, Stefan Redlich, dem »neuen deutschland«. Allein am vergangenen Wochenende musste die Polizei mehrmals mit mehreren hundert Beamten ausrücken, um »aggressive Gruppen« zu trennen.
Ein Ort, an dem sich der Hass türkischer Nationalisten in den vergangenen Tagen immer wieder entlud, ist das Kottbusser Tor in Kreuzberg: Hier spielten sich nach Autokorsos von türkischen Nationalisten regelrechte Jagdszenen ab. Auf im Internet kursierenden Handyvideos sind junge Männer zu sehen, die mit Stahlstangen auf Kurden losgehen. Auch am Sonntag war der hier wöchentlich stattfindende Stand der linken pro-kurdischen Partei HDP Ziel von Attacken im Anschluss an eine türkische Demonstration »Gegen Vertreibung, Krieg und Terror«. »Die nationalistischen Türken, damit sind auch die ›Grauen Wölfe‹ gemeint, scheinen sich in Deutschland und auch in Berlin stärker zu vernetzen, um wie in der Türkei gegen die Kurden vorzugehen«, sagt der Linkspartei-Abgeordnete Hakan Taş.
Die »Grauen Wölfe« sind in der Türkei in der MHP-Partei der Nationalistischen Bewegung (»Milliyetçi Hareket Partisi«) organisiert. Die Partei wurde 1961 von Alparslan Türkeş gegründet.
Die faschistische Ideologie ist von Führerkult, Großmachtfantasien und rassistischer Hetze gegen Kurden, Armenier und Aleviten geprägt. Auch Homosexuelle und Kommunisten werden diffamiert. Historisch ging die Organisation auch militant gegen die ausgemachten Gegner vor.
Hierzulande ist die rechtsextreme Partei laut Experten durch die »Türkische Föderation Deutschland (ATF) Förderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.« vertreten. Neben den »Grauen Wölfen« gibt es weitere nationalistische Gruppen wie die Alperen, die Kontakt zu Islamisten pflegen. Neu sind Phänomene wie der Motorradclub »MC Turkos«, der auch in Berlin ein Chapter hat. mkr
Laut Polizei gab es am Sonntag bis in die späten Abendstunden zwischen »vermutlich PKK-nahen und türkisch-nationalen Personen« in Kreuzberg zu Auseinandersetzungen. Allein am Sonntag kam es zu 35 Freiheitsentziehungen. Von den Beamten, die Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzten, wurden mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet. Zwei Polizisten wurden leicht verletzt. Zu gewalttätigen Zusammenstößen war es auch in der Nacht von Samstag auf Sonntag im Anschluss an eine türkische Demonstration auf dem Neuköllner Hermannplatz gekommen, an der sich 1300 Menschen, darunter viele Islamisten, beteiligten. Rund 60 Jugendliche fuhren im Anschluss mit Autos durch Kreuzberg und skandierten Parolen. Eine Verwurzelung der »Grauen Wölfe« der Partei »MHP« (siehe Kasten) ist der Polizei in Berlin indes nicht bekannt. Die Polizei versucht nun über ihre Kontakte zu türkischen und kurdischen Gruppen, die Lage zu beruhigen.
Expertinnen wie Alia Sembol von der Fachinformationsstelle gegen Rechtsextremismus in München beobachten die Aktivitäten der »Grauen Wölfe« in Deutschland seit Jahren mit Sorge. »Nachdem die türkischen Faschisten in den vergangenen Jahren eher durch Kulturarbeit und Konzerte auffielen, zeigt sich jetzt wieder der gewalttätige Kern der Ideologie der ›Grauen Wölfe‹«, sagt Sembol. Hinzu kämen neue Gefahren wie die Motorradgruppe »MC Turkos«, die chauvinistische Männlichkeitsbilder nach außen transportieren und Nationalismen befördern. Ein Chapter, also eine Untergruppierung des »MC Turkos«, gibt es seit kurzem auch in Berlin.
Politiker wie Hakan Taş fordern jetzt die Wachsamkeit der Behörden. »Graue Wölfe müssen bei Demonstrationen genauso begleitet werden wie deutsche Neonazis«, sagt Taş. Eine Sprecherin des Verfassungsschutzes erklärt: »Wir haben die Grauen Wölfe im Fokus.« Rund 400 »türkische Extremisten« zählt der Nachrichtendienst in Berlin.
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