Kämpfen gegen FIFA-Verbrechen

Joseph Blatter verstärkt seine Verteidigung - gegen aktuelle und alte Ermittlungen

Der Auftritt der US-Justizministerin und des Schweizer Bundesanwalts in Zürich war wenig spektakulär. Hoffnung, dass die FIFA und ihr Präsident für ihre »Verbrechen« büßen müssen, besteht dennoch.

Schon die Wahl des Saales ließ erahnen, dass die Informationen über den Stand der Strafverfahren und Ermittlungen gegen den Fußballweltverband FIFA nicht so spektakulär sein können, wie es viele sich vielleicht erhofft hatten. Loretta Lynch und Michael Lauber luden am Montag in den Raum Helvetia B des Renaissance Tower Hotels in Zürich. Die US-amerikanische Justizministerin und der Schweizer Bundesanwalt verzichteten auf 130 Quadratmeter mehr, die ihnen der Saal Helvetia AB geboten hätte. Es blieb bei einem »kurzen Update« über den Kampf gegen »die Verbrechen der FIFA«, wie Lynch die halbstündige Veranstaltung zu Korruption, Bestechung, Betrug und Geldwäsche im Weltfußball zusammenfasste.

Für beide war es ja auch nur ein Termin am Rande. Lynch und Lauber nehmen in dieser Woche an der Jahreskonferenz der Internationalen Vereinigung der Staatsanwälte (IPA) teil. Das Ziel der Organisation, der Staatsanwaltschaften aus mehr als 170 Ländern angehören, ist, den schwierigen Kampf gegen das internationale Verbrechen zu vereinfachen. Das Problem der unterschiedlichen Gesetzgebung in vielen verschiedenen Staaten will die IPA mit besserer Vernetzung lösen.

In dieses Thema fügte sich der Abstecher ins Renaissance Tower Hotel nahtlos ein. Lynch und die US-Justiz dürfen nur Fällen nachgehen, die irgendeinen Bezug (Personen, Organisationen, Konten etc.) zu ihrem Einflussbereich haben. Und so ermittelt sie gegen die FIFA wegen Bestechungsgeld, dessen Ursprung oder Ziel der amerikanische Kontinent war. Lauber und die Schweizer Bundesanwaltschaft hingegen gehen Schmiergeldzahlungen nach, die rund im die Vergabe der Weltmeisterschaften an Russland (2018) und Katar (2022) geflossen sind. Wie wichtig gute Verbindung und Zusammenarbeit ist, zeigte sich im Mai als kurz vor dem Kongress des Fußballweltverbandes sieben Funktionäre, darunter zwei FIFA-Vizepräsidenten, verhaftet werden konnten. Insgesamt hat die US-Justiz Anklage gegen 14 Personen erhoben. 13 sind festgesetzt, zehn davon wehren sich in verschiedenen Ländern noch gegen ihre Auslieferung.

Loretta Lynch und Michael Lauber lobten sich und die jeweiligen Organisationen am Montag gegenseitig - für die ersten Erfolge und die wunderbare Zusammenarbeit. Und wenn sie auch nichts Neues verkünden konnten oder wollten: Die Möglichkeit, in der FIFA-Stadt Zürich über den Kampf gegen die FIFA zu berichten, wollten die beiden mächtigsten und ranghöchsten Ermittler wahrnehmen.

Dabei hinterließen sie einen durchaus optimistischen Eindruck. »Seit Mai haben wir unsere Ermittlungen ausgeweitet«, sagte Lynch. Lauber berichtete von bisherigem Datenmaterial in Größe von elf Terrabyte. Das ist elfmal soviel wie die neuesten Computer an Speicherkapazität bieten. Bei der Auswertung und Analyse seien er und seine Mitstreiter »noch nicht mal bei der Halbzeit angelangt.« Ständig kämen neue Informationen und Quellen hinzu. Und schon jetzt ist sich Lauber sicher: »Es werden weitere Anklagen folgen.«

Gegen wen? Die Antwort blieb geheimnisvoll: »Gegen Personen und Organisationen.« Entsprechend blieb auch die spannendste Frage unbeantwortet - die nach Joseph Blatter. Viele hochrangige Funktionäre mussten die FIFA-Familie schon verlassen, etlichen konnten Verbrechen gerichtlich nachgewiesen werden. Dem Chef noch nicht. Blatter ist immer noch da. Seit 34 Jahren führt er den Verband, die Hälfte der Zeit als Generalsekretär, die andere Hälfte als Präsident. Das nachweislich korrupte System der FIFA trägt seinen Namen.

Auch diesmal lässt der 79-Jährige nichts unversucht, um unbeschadet davonzukommen. Mitte August wurde Francois Carrard zum neuen und »unabhängigen« Chef der FIFA-Reformkommission ernannt. Das erste, was Blatters Landsmann tat, war, ihn zu verteidigen. Der Präsident werde »unfair behandelt«. Und weiter im Weltverbandsduktus: Nur »ein paar Schurken« seien korrupt. Nicht der Fußball, nicht die FIFA, nicht Blatter. Einen Seitenhieb Richtung Amerika setzte er auch noch. Dort sei Fußball nur ein Schulmädchensport. Außer Loyalität hat Carrard noch einen Vorteil. Der 77-Jährige kennt sich bestens mit der hartnäckigen US-Justiz aus. 14 Jahre war er Generaldirektor des Internationalen Olympischen Komitees und managte das IOC durch die Bestechungsaffäre um die Winterspiele von Salt Lake City 2002.

Blatter hat seine Verteidigungslinien verstärkt. Aus gutem Grund. Schon im Frühjahr 2014 hatte der Schweizer Nationalrat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der es erlaubt, auch gegen korrupte Privatpersonen in Verbänden und Unternehmen vorzugehen. Nachdem vergangene Woche auch der Ständerat der Schweiz zugestimmt hat, gibt es nun die »Lex FIFA«. Fortan fallen Schmiergeldzahlungen bei der Vergabe von Großveranstaltungen unter das Korruptionsstrafrecht. Und das im besten Fall mit einer Verjährungsfrist von 15 Jahren.

Die »Lex FIFA« könnte für Blatter umgehend unangenehme Folgen haben. Am vergangenen Wochenende wurden Verträge aus dem Jahr 2005 öffentlich. Mit der Unterschrift des FIFA-Präsidenten wurden die Fernsehrechte für die WM-Turniere 2010 und 2014 für das 25-fache unter Marktwert an Blatters ehemaligen Stimmenbeschaffer Jack Warner verkauft. Der ehemalige FIFA-Vizepräsident ist längst angeklagt, wehrt sich in Trinidad und Tobago aber noch gegen die Auslieferung in die USA. Und auch die Schmiergeldaffäre um den damaligen FIFA-Vermarkter ISL, in der der Weltverband 2010 seine Schuld eingestand, sich aber nach damaligem Schweizer Recht für 2,5 Millionen Franken freikaufen konnte, wird sicherlich neu aufgerollt.

Die Ermittlungen liefen schon, sagten Lnych und Lauber zu den neuen Entwicklungen. Den Eindruck, dass sie sich über noch mehr Arbeit ärgerten, machten beide nicht.

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