Linke kritisiert Grüne wegen Ja zu »Asylkompromiss«
Kipping: Ökopartei offenbar kein Partner mehr »im Kampf für ein humanes Asylrecht« / Kritik an Ja zu umstrittener Verschärfung des Asylrechts auch innerhalb der Grünen
Berlin. Das mehrheitliche Ja der Grünen zu den umstrittenen Ergebnissen des so genannten Flüchtlings-Gipfels von Bund und Ländern stößt in der Linkspartei auf erhebliche Kritik. Am Samstag hatte auch ein Landesparteitag der Grünen in Hessen mit überwältigender Mehrheit für das in der Nacht zum Freitag in Berlin ausgehandelte Paket votiert. Tarek Al-Wazir, Wirtschaftsminister und Vize-Regierungschef in dem Bundesland, hatte zuvor eindringlich für das als »Asylkompromiss« bezeichnete Ergebnis des Bund-Länder-Treffens geworben, das scharf unter anderem von Pro Asyl kritisiert wurde. Es sieht unter anderem Leistungskürzungen und die Ausweitung der Zahl der angeblich »sicheren Herkunftsländer« vor.
»Wer wie Hessens grüner Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir die Ausweitung des Konstrukts der sicheren Drittstaaten als Fortsetzung der Willkommenskultur vieler ehrenamtlicher engagierter BürgerInnen schönredet, offenbart seine zynische Haltung gegenüber den vielen Helfenden«, sagte Linken-Chefin Kipping nun mit Blick auf eine Äußerung des hessischen Grünen, der mit Blick auf das Gesetzespaket sagte, die »Willkommens-Kultur« dürfe kein »kurzes September-Märchen« bleiben. Auch in der CDU war die umstrittene Einigung als die am weitesten gehende Asylrechtsverschärfung seit über zwei Jahrzehnten bezeichnet worden.
Kipping zeigte sich »erschüttert«, dass nach den baden-württembergischen auch die hessischen Grünen »den Weg zur Beschneidung des Asylrechts frei gemacht haben«. Die Linkenpolitikerin stellte zugleich infrage, ob die Grünen weiterhin »gesellschaftlicher und politischer Partner im Kampf für ein humanes Asylrecht« sein könnten. »Das ist nun offenbar vorbei«, so Kipping.
Beim Landesparteitag der Grünen in Hessen in Limburg stimmten nur wenige Delegierte einem Antrag der Grünen Jugend zu, den Bund-Länder-Kompromiss wegen Verschärfungen im Asylrecht abzulehnen. Auch die Bundes-Grünen hatten sich für die umstrittene Asylverschärfung ausgesprochen. Man bemängelte zwar, Leistungskürzungen für Ausreisepflichtige oder die Ausweitung der »sicheren Herkunftsländer« - dies sei schwer tragbar. Es seien aber auch ein legaler Zugang für Menschen vom Westbalkan zum deutschen Arbeitsmarkt, eine direkte Unterstützung der Minderheiten auf dem Balkan und eine regelmäßige Überprüfung der sicheren Herkunftsländer erkämpft worden. »Wir haben damit faktisch den Einstieg in ein Einwanderungsgesetz geschaffen«, heißt es in der Erklärung von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, grünen Vize-Regierungschefs sowie der Partei- und Fraktionsvorsitzenden auf Bundesebene.
»Die Grünen mussten einiges schlucken«, heißt es hingegen in einer Übersicht der Nachrichtenagentur dpa. »Dass trotzdem genügend grün-mitregierte Länder im Bundesrat für eine Mehrheit sorgen, gilt als sehr wahrscheinlich.« Die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, hatte gesagt, »es gibt auch bittere Pillen in dem Paket«, bei der Umstellung von Geld- auf Sachleistungen für abgelehnte Asylsuchende frage sie sich zum Beispiel, »ob das verfassungsfest ist, dass Menschen nur mit einem Dach über dem Kopf und Essen ausgestattet werden«.
Die Grünen sind an neun Landesregierungen beteiligt und haben ein erhebliches Mitspracherecht im Bundesrat, der dem Gesetzespaket zustimmen muss. Die Landesvorsitzende der Grünen in Niedersachsen, Meta Janssen-Kucz, hatte kritisiert, »dass der Beschluss für die aktuellen Herausforderungen für Länder und Kommunen wenige Lösungsansätze beinhaltet und eher zur Verschlechterung der Situation der betroffenen Geflüchteten und zu einer weiteren Stigmatisierung Geflüchteter aus den Balkanstaaten führt. Das bedeutet in Teilen eine Verschärfung des Asylrechts«. Fatal sei auch, »dass mit diesem Beschluss Ergebnisse des ersten Flüchtlingsgipfels im September 2014 einkassiert werden: Statt der flächendeckenden Einführung einer Gesundheitskarte soll es nun nur eine Länderoption für eine Gesundheitskarte light à la CDU geben, die den humanitären und medizinischen Ansprüchen nicht gerecht wird.«
Auch anderswo bei den Grünen regt sich Widerstand. Zum Beispiel lehnten die Weser-Ems-Grünen auf einer Bezirkskonferenz den so genannten Asylkompromis einstimmig ab. Der Ex-Frontmann der Partei, Jürgen Trittin, twitterte die Entscheidung des Bezirks und warf dabei die Frage auf: »Das Ende einer humanen Flüchtlingspolitik?« Die Grüne Jugend hatte vor dem Bund-Länder-Gipfel gewarnt, es dürfe nicht zugelassen werden, »dass die Bundesregierung die aktuelle Finanznot vieler Bundesländer und Kommunen schamlos ausnutzt, um ihre rechtspopulistische Symbol- und Erpressungspolitik durchzusetzen«. Der Verband forderte »deswegen entschieden von Grünen, sich dieser Erpressungspolitik der Bundesregierung nicht hinzugeben und Haltung zu zeigen«. nd/mit Agenturen
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