»Die DDR hätte Fritz Bauer ehren müssen«

Roland Zehrfeld spielt in »Der Staat gegen Fritz Bauer« den jungen Staatsanwalt Angermann

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 4 Min.

Warum haben Sie sich für dieses Projekt entschieden?
Fritz Bauer ist für mich ein Held. Trotz der Verfolgung durch die Nazis kam er aus dem Exil nach Deutschland zurück, um ein demokratisches Justizsystem aufzubauen. Trotzdem war mir sein Namen bis zur Premiere von »Phoenix« unbekannt. Das hat mich erschreckt. Die DDR wäre prädestiniert gewesen, diesen Namen zu ehren.

Dem standen die kritische Sicht auf Israel und die Einschätzung der BRD als Hort des Revanchismus entgegen?
Das kann eine Erklärung sein. Bauer hat den Frankfurter Auschwitz-Prozess und die Ergreifung von Eichmann gegen das Schweigen, Verdrängen und Vergessen durchgesetzt, das sich viele Deutsche wünschten. Auch meinem Opa fiel schwer, seine Erlebnisse im 2. Weltkrieg zu reflektieren.

Der Film wird die Diskussionen um Bauers Tod und Homosexualität wieder aufflammen lassen?
Oliver Guess` »Die Heimkehr der Unerwünschten« hat eine heftige Diskussion um seine Persönlichkeit und seinen Tod ausgelöst. Eine Theorie besagt, Bauer habe den Freitod gewählt. Das andere Lager hält an seiner Mord-Theorie fest. Die Familie denkt, er sei an einem gebrochenen Herz gestorben. Das ist für mich eine treffende Umschreibung. Bauer war einsam. Wenn er sein Dienstzimmer verließ, betrat er feindliches Ausland. Und wenn er homosexuell war, konnte er seine sexuelle Neigung nicht leben und opferte sein privates Glück dem Beruf. Denn der von den Nazis verschärfte Schwulenparagraf galt ja in der BRD weiter.

Die Erfahrungen in der DDR, wo der Paragraf in den sechziger Jahren verschwand, zeigen, dass die gesetzliche Änderung das eine ist. In den Köpfen der Menschen brauchte es länger.
Deshalb ist Homosexualität im Fußball noch ein No-Go-Thema. Die gesellschaftliche Akzeptanz von gleichgeschlechtlicher Liebe ändert sich nur langsam. Klaus Wowereit Outing hat einiges in Bewegung gesetzt und selbst die Junge Union hat Angie mittlerweile aufgefordert, sich locker zu machen. Es ist eine Frechheit, Homosexuellen die Gleichberechtigung zu verweigern. Das gilt natürlich auch für Frauen weltweit. Deshalb befürworte ich auch den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan.

Was Sie auch bewog, die Hauptrolle als Soldat »Zwischen Welten« anzunehmen?
Ich habe nur das eine Leben auf dieser blauen Murmel und so verstehe ich meine Verantwortung. Während des Studiums spottete meine Mutter, das sei Singen, Tanzen und Pfeifen. Später hat sie sich dafür entschuldigt. In meiner Herangehensweise an den Beruf bin ich von der DDR geprägt, wo Romane, Songs, Filme oder Stücke eine andere Funktion hatten. Die Menschen verstanden, zwischen den Zeilen zu lesen. Sie schätzen die Kultur als Mittel zum Diskurs. Heute werden die staatlichen Subventionen in Frage gestellt. Aber Kultur ist ein Gut, das erhalten werden muss. Über sie definieren wir uns. Das weiß auch die IS, die wertvolle Kulturgüter zerstört.

Warum spielen Sie oft Menschen, die ihre Angst überwinden und Regeln brechen?

Angst ist ein unheimlicher Motor. Sie hält wach, alles andere macht träge und müde. Ich ärgere mich, wenn ich in Bewährungssituationen in Panik verfalle und es mir nicht gelingt, Angst in was Positives zu verwandeln und sie zu nutzen.

Würden Sie sich mehr Mut im deutschen Film wünschen?
Grundsätzlich ja. Ab und an schaffen es Filme, Zeichen zu setzen. Aber zu oft scharen sich viele Menschen um den Trog, die Angst haben, etwas zu riskieren. Aber Angst fressen Seele auf.

Dann sind wir wieder bei Bauer, der sich nicht anpasste und nicht aufgab?
Nicht aufgeben, für eine Idee einstehen. Sich nicht klein machen. Wobei ich nicht weiß, ob ich so viel Mut hätte wie Bauer. Seine Erlebnisse setzten Kräfte frei, die ich gefühlsmäßig nur als Vater nachvollziehen kann. Im Vatertier in mir werden plötzlich Kräfte mobilisiert, von denen ich zuvor nichts ahnte.

»Barbara« feierte zur Berlinale Premiere. Folgten darauf Angebote aus dem Ausland?
Natürlich wünsche ich mir, im Ausland zu arbeiten. Doch das liegt in der Zukunft. Ich schätze mich glücklich, dass ich überhaupt in meinem Beruf arbeiten darf. Ich weiß nicht, was nächstes Jahr sein wird und ob ich meinen Taxischein mache. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich kenne viele Filmemacher, die inhaltlich und künstlerisch Neuland betreten wollen.

Im Moment erschüttern etliche Dopingskandale die Sportszene. Sind Sie froh, dass Sie als Judoka früh ausgestiegen sind?
Obwohl ich noch sehr jung war, musste ich die Drops nehmen. Ich will das Doping in der DDR nicht verteidigen. Sport war ein Instrument, um Aufmerksamkeit zu erringen. Doch es wird in jedem Staat gedopt. Doch welchen Wert hat Sport, wenn Hochleistungsmaschinen in einem Business-System gegeneinander antreten. Es geht um Macht, Brot und Spiele. Und Sportler, die nie gedopt haben, müssen dies beweisen. Das ist ein Unding.

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