Ein Schutthaufen voller Waffen
Ein Zeuge berichtet im sächsischen Untersuchungsausschuss erstmals über den Fund der NSU-Mordwaffe
Er dachte, er ziehe an einem Heizungsrohr, »und plötzlich hing eine Pistole dran«, sagt der Bereitschaftspolizist Jörn N. über einen Einsatz in Zwickau am 9. November 2011. Schon das wäre eine unangenehme Überraschung gewesen. Sie wuchs sich allerdings zur Sensation aus, als klar wurde, was für eine Art Waffe der damalige Polizeischüler aus dem Schutt des bei einer Explosion zerstörten Wohnhauses in der Zwickauer Frühlingsstraße 26 geborgen hatte: Es handelte sich um die Pistole vom Typ Ceska CZ 83, mit der die Mitglieder der rechten Terrorzelle NSU in den Jahren von 2000 bis 2006 mindestens neun griechische und türkische Kleinunternehmer ermordet hatten.
Der Görlitzer Beamte berichtete am Montag im NSU-Ausschuss des sächsischen Landtags über den Einsatz, an dem er noch als Polizeischüler teilnahm - und zu dem er in den vier Jahren seither noch nie befragt wurde: »Das ist heute das erste Mal«, sagte N. Weder Polizeiermittler und Staatsanwälte noch eines der parlamentarischen Untersuchungsgremien in Bund und Ländern seien auf ihn zugekommen.
Seinen Schilderungen zufolge wurden die Polizeischüler herangezogen, um den Schutthaufen zu durchsuchen, in den eine Explosion Teile des Hauses verwandelt hatte. Noch ahnte niemand, dass die zerstörte Wohnung jahrelang Unterschlupf des NSU-Trios war. Dessen männliche Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos waren fünf Tage zuvor in Eisenach nach einem Banküberfall tot in einem in Flammen aufgegangenen Wohnmobil gefunden worden. Beate Zschäpe, die unmittelbar im Anschluss die Wohnung in die Luft gejagt hatte, war noch untergetaucht.
Aufgabe der Polizeischüler sei es gewesen, den Schutt in Schubkarren zu verladen und zu einem Sammelplatz zu bringen, wo er akribisch durchsucht werden sollte. Schon bald wurde klar, dass es sich um weit mehr als schnöde Gebäudereste handelte: Neben Balken, Brettern und Ziegeln seien auch eine Maschinenpistole und ein Revolver gefunden worden, dazu Gläser voller Schwarzpulver und Schachteln mit Munition. Zusätzliche Sicherungsmaßnahmen wurden nach den brisanten und gefährlichen Funden freilich nicht veranlasst: Weder Hunde noch Metalldetektoren seien eingesetzt worden, sagte N. Die Ceska wurde schließlich gegen Ende des Einsatzes entdeckt: »Was ich für ein Heizungsrohr hielt, entpuppte sich als Schalldämpfer«, sagte N. Um welche Waffe es sich handelte, habe er Tage später nach Zeitungsberichten gewusst: »Da wurde mir klar, das ist was Besonderes.«
Unklar bleibt nach der Vernehmung, wie exakt der Fundort der Ceska dokumentiert wurde. Der Zeuge erklärte, er habe zwar selbst kein Foto angefertigt; ein anderer Beamter habe die Situation aber festgehalten. Sobald er das Fundstück als Waffe identifiziert hatte, habe er sie wieder abgelegt und fotografieren lassen.
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