Mehr Platz für Fußgänger
In der Schöneberger Maaßenstraße entstand Berlins erste Begegnungszone
Ab sofort müssen sich Auto-, Radfahrer, Fußgänger und sonstige Verkehrsteilnehmer auf eine neue Erscheinung im Straßenverkehr einstellen: die Begegnungszone. Am Montag wurde das erste Exemplar in der Schöneberger Maaßenstraße freigegeben. Damit auch jeder weiß, wie er sich in einer solchen Zone verhalten muss, stehen an Anfang und Ende große Hinweistafeln. »Eine Begegnungszone ist eine Straße für alle«, ist darauf zu lesen, »alle haben Platz« und »Parken ist hier nicht erlaubt«.
Da, wo bisher Autos abgestellt wurden, warten jetzt Fahrradbügel, Sitzbänke und putzige »Sitztiere« für die Jüngsten. Die Fahrbahn wurde verschwenkt und auf 5,50 Meter verengt, so dass zwei Autos gerade so aneinander vorbeikommen. Statt bisher Tempo 30 gilt auf dem rund 200 Meter langen Abschnitt zwischen Nollendorf- und Winterfeldtplatz jetzt Tempo 20.
»Mit der Fertigstellung der ersten Begegnungszone ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung des Fußverkehrs vollzogen«, sagte Berlins Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) beim Durchschneiden des roten Bandes. Fußgänger sollen sich im Straßenraum sicherer bewegen können. Die waren bisher eingezwängt zwischen Radlern und den Gästen der Straßenlokale, die sich hier in Schönebergs Vergnügungsviertel aneinanderreihen. Die Radwege auf dem Gehwegen entfallen, die Fahrradfahrer teilen sich nun den Platz mit den Autos und werden dafür sorgen, dass das Tempolimit eingehalten wird. »Bei der Geschwindigkeit muss es hier keinen Überholvorgang geben«, so Tempelhof-Schönebergs Baustadtrat Daniel Krüger.
Vorbild für Berlins erste Begegnungszone sind ähnlich Modelle in der Schweiz und den Niederlanden. Dort sind in ihnen alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt, in der Schweiz haben Fußgänger sogar Vorrang. So etwas lässt die deutsche Straßenverkehrsordnung jedoch nur in Spielstraßen zu, wo Schrittgeschwindigkeit gilt. Auch Radwege auf der Fahrbahn sind nach der StVO in Begegnungszonen nicht erlaubt. Ein Umbau zu Spielstraße wäre laut Gaebler aber zu aufwendig geworden.
So hat die Umwandlung der Maaßenstraße zur Begegnungszone rund 800 000 Euro gekostet, seit 2012 wurde er in einem breiten Beteiligungsprozess vorbereitet. 2500 Bürger hätten Vorschläge und Ideen beigesteuert, betonte Bezirksbürgermeisterin Gabriele Schöttler (SPD). Trotzdem sind nicht alle glücklich mit der Neugestaltung, besonders der Wegfall der 50 Parkplätze wird von Anwohnern und Gewerbetreibenden beklagt.
»Die Autos standen hier 23 Stunden am Tag nur herum«, sagte Gaebler. Es könne nicht sein, das wichtiger Straßenraum dauerhaft belegt wird. Und Schöttler erinnerte daran, dass man deshalb auch bisher kaum einen Parkplatz in der Straße fand. Selbst der ADAC hat seinen Frieden mit dem Projekt gemacht und es sogar ausgezeichnet.
Die Maaßenstraße soll nicht die einzige Begegnungszone bleiben, im kommenden Jahr soll auch der Umbau der Bergmannstraße in Kreuzberg und danach der des Checkpoints Charlie beginnen. Der Verkehrsexperte der Umweltorganisation BUND, Martin Schlegel, kann sich vorstellen, dass künftig auch die Karl-Liebknecht-Straße im Bereich des Humboldtforums verkehrsberuhigt wird. Und auch an der Maaßenstraße sollte noch nicht Schluss sein: »Der Abschnitt Bereich am Winterfeldplatz bis zur Akazienstraße muss einbezogen werden, dort gilt sogar noch Tempo 50.«
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