Vier Meter für die Musik

Zeugen zum Staatsopernskandal über Konflikte zwischen Kultur und Denkmalschutz

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 2 Min.
Im Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zur Staatsoper ging es um Nachhall, Deckenhöhen und den Einfluss der Politik.

In Sachen Akustik erlebten die Mitglieder des Untersuchungsausschusses Staatsoper am Freitag eine kleine Nachhilfestunde. »Der Nachhall ist das Barometer für die richtige Balance zwischen Durchsichtigkeit der Musik und homogenem Klang«, erklärte der Generalmusikdirektor der Staatsoper, Daniel Barenboim. Andererseits sei Akustik keine exakte Wissenschaft und ein Opernhaus kein Museumsstück.

Damit ist der Konflikt zwischen den Interessen der Nutzer der Oper und den Denkmalschützern klar. Barenboim wollte den Nachhall um 0,5 auf 1,6 Sekunden ausdehnen, was eine Vergrößerung des Raumvolumens erforderte. Das ging nur durch das Anheben der Decke um vier Meter. Eine der Ursachen, warum die Kosten für die Sanierung von 239 Millionen auf mittlerweile rund 400 Millionen Euro gestiegen sind.

Die Denkmalschützer wollten die Oper in ihrer Fassung so weit wie möglich in ihrer Fassung von Anfang der 1950er Jahre erhalten. »Die Nutzung muss sich nach dem Gebäude richten, nicht umgekehrt«, erklärte Norbert Heuler vom Landesdenkmalamt. Als beim ersten Architektenwettbewerb 2008 der Siegerentwurf den kompletten Neubau des Zuschauerraums vorsah, wurde ein neuer Wettbewerb gestartet.

Dann aber wurden die Einwände der Denkmalschützer offenbar nicht mehr so ernst genommen. Der neue Siegerentwurf des Architekten HG Merz erhält zwar den Zuschauerraum weitestgehend, sieht aber neben der Anhebung der Decke auch die Erhöhung des Bühnenturms vor. »Wir haben unsere Bedenken zurückgestellt, wenn ein übergeordnetes Interesse vorlag«, so Heuler. Auf die Frage des Ausschussvorsitzenden Wolfgang Brauer (LINKE), wer dieses Interesse bestimmt, nannte er »die politische Leitung«, also damals Klaus Wowereit und Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (beide SPD).

Für den dritten Zeugen, den früheren kommissarischen Generaldirektor der Stiftung Oper in Berlin, Stefan Rosinski, ist die eingetretene Misere kein Bauproblem, sondern »Folge politischen Handelns«. Das beginnt für ihn schon beim ausgebliebenen Dialog über die Rolle der drei Opern in Berlin. Dadurch sei es zum kaum zu lösenden Konflikt zwischen Nutzerinteressen und Denkmalschutz gekommen. »So zu bauen musste zum nicht kalkulierbaren Risiko werden«. An der richtigen Balance fehlte es offenbar nicht nur bei der Akustik.

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