»Das war’s dann wohl«
Weil die türkischen Fußballer in Prag gewinnen, werden die Niederländer trotz ihres Siegs wohl nicht zur EM fahren
Ein Sieg und doch verloren: Die Erleichterung der Niederlande über das 2:1 in Kasachstan dauerte nicht lang. Die Türkei siegte in Tschechien. Damit ist die EM 2016 für Oranje weit weg.
Von Annette Birschel, Amsterdam
»O nee!«, jammerte der niederländische Fernsehkommentator fassungslos Stunden nach dem 2:1-Sieg von Oranje in Kasachstan. Gerade hatten die Türken in Prag zum 1:0 gegen die Tschechen getroffen. Knapp 30 Minuten später stand ihr 2:0-Sieg fest. »Das war’s dann wohl«, stellten die Fußballexperten am späten Sonnabend im Fernsehstudio fest. Die Europameisterschaft 2016 wird wohl ohne die niederländische Fußballnationalelf stattfinden.
Dabei hatte der Abend in Astana so hoffnungsvoll begonnen. Zum ersten Mal schien sogar das sonst so sorgenvoll zerknitterte Gesicht des niederländischen Nationaltrainers Danny Blind sich etwas zu entspannten. »Ich bin zufrieden mit diesem Sieg«, sagte der Bondscoach nach dem 2:1 gegen Kasachstan. Georginio Wijnaldum und Wesley Sneijder hatten seine Mannschaft in Führung gebracht, Islambek Kuat gelang für die Gastgeber in der Schlussminute nur noch der Anschlusstreffer.
»Tschechien hat uns im Stich gelassen«, klagte die niederländische Boulevardzeitung »De Telegraaf« am Sonntag. Doch der WM-Dritte ist selbst Schuld an der Misere: Nur vier Siege in der Qualifikation für das Turnier im kommenden Sommer in Frankreich - und das in einer Gruppe mit Fußballzwergen wie Lettland, Island und Kasachstan. Trotz des Sieges der Niederlande in Kasachstan hat sich am Stand der Gruppe A nichts geändert. Island und Tschechien haben sich qualifiziert, Oranje steht weiter nur auf Platz vier. Die Türkei braucht am Dienstag gegen Island nur noch einen Punkt, um bei der EM dabei zu sein.
Zum ersten Mal seit der Weltmeisterschaft 2002 wird ein großes Turnier wohl ohne die Niederlande stattfinden. Nur ein Fußballwunder kann den WM-Dritten noch retten. Und daran glaubt kaum einer. »Eine EM ohne Oranje? Unvorstellbar, aber wahr«, twitterte der prominente Kommentator Jack van Gelder. Nur wenige klammern sich noch an den allerletzten Strohhalm. Dazu gehört der niederländische Fußballbund. »Oranje darf weiter hoffen,« schrieb der KNVB auf seiner Homepage. Schicksalstag ist der nächste Dienstag: Dann muss Oranje gegen Tschechien gewinnen. Aber die Türkei muss zugleich gegen Island verlieren. Das ist die einzige Chance, um zumindest über die Playoffs noch ein EM-Ticket zu bekommen.
Die niederländische Nationalmannschaft steht mit ihren vielen unerfahrenen Spielern vor einer schweren Aufgabe in der Amsterdam Arena. Arjen Robben vom FC Bayern München fällt weiterhin verletzt aus. Zu allem Überfluss kehrten die Niederlande aus Kasachstan mit zwei verletzten Torhütern zurück.
Es könnte auch das letzte Mal sein, dass Danny Blind auf der Trainerbank von Oranje sitzt. Nach dem erzwungenen Abschied von Guus Hiddink nach weniger als nur einem Jahr war das Vertrauen in den früheren Ajax-Spieler schon nicht groß. Angesichts des drohenden Ausscheidens wird offen der totale Neuanfang in den Niederlanden gefordert. Und das gilt auch für die Führung des Königlichen Fußballbundes. dpa/nd
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