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Asylrechtsverschärfung: Auch Bremen enthält sich

Grüne: Geplante Änderungen widersprechen grüner Programmatik / Streit um Enthaltung in Thüringen - SPD wirft Linkspartei Verantwortungslosigkeit vor / Das rot-rote Brandenburg streitet noch über Enthaltung

  • Lesedauer: 5 Min.

Rot-Grün in Bremen

Nach Thüringen wird sich auch das rot-grün regierte Bremen am Freitag bei der Bundesratsabstimmung über die Eil-Verschärfung des Asylrechts zu Lasten der Schutzsuchenden enthalten. Die Bremer Grünen lehnen die umstrittenen Änderungen ab. Viele der neuen Regelungen widersprächen bisheriger grüner Programmatik, hieß es in einem Antrag des Landesvorstandes, der am Dienstagabend von einer Landesmitgliederversammlung angenommen wurde. Ziel müsse eine tatsächliche Beschleunigung der Asylverfahren sein, ohne das Recht auf eine individuelle und unvoreingenommene Prüfung des Asylantrags einzuschränken.

Rot-Rot-Grün in Thüringen

In Thüringen hatte sich zuvor schon die rot-rot-grüne Landesregierung auf Drängen der Linken auf eine Enthaltung verständigt. Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte unter anderem moniert, dass die Regionalisierungsmittel für den Schienenverkehr mit den schärferen Asylgesetzen verknüpft worden seien - diese hätten mit Flüchtlingen aber nichts zu tun. Die SPD in Thüringen hatte ein Ja im Bundesrat gefordert. »Ich habe bis zuletzt gehofft, dass die Landesregierung geschlossen im Bundesrat zustimmt«, erklärte Fraktionschef Matthias Hey im Anschluss.

Der stellvertretende SPD-Bundestagsfraktionschef Carsten Schneider kritisierte den Koalitionspartner scharf. Ministerpräsident Ramelow stelle »die Interessen seiner Partei über die Interessen des Landes«, sagte er der »Thüringer Allgemeinen«. »Wenn jede Landesregierung im Bundesrat so verantwortungslos handeln würde, wäre Deutschland nicht regierungsfähig«, erklärte Schneider, der auch stellvertretender Chef der Thüringer SPD ist.

Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow wies die Kritik zurück: »Schneider sollte sich lieber im Bundestag mehr für Thüringer Interessen einsetzen, anstatt der Landesregierung aus der Glaskuppel Befehle zu erteilen«, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Thüringen werde in Erfurt regiert und nicht aus Berlin. Die Äußerung Schneiders sei überflüssig und ärgerlich.

Kurz vor der Entscheidung im Kabinett riefen zwei Landrätinnen der Linken die Regierung auf, dem Asylkompromiss zuzustimmen. Alles, was dazu diene, die öffentlichen Haushalte der Städte, Gemeinden und Landkreise nachhaltig zu entlasten, müsse unterstützt werden, erklärten die Landrätinnen von Ilm-Kreis und Altenburger Land, Petra Enders und Michaele Sojka.

Die Grünen hatten zwar Bedenken geäußert, aber Zustimmung signalisiert. Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Gesamtpaket sei ein Schritt in die richtige Richtung. »Die Grünen hätten sich auch durchringen können, das Paket unter großen Bauchschmerzen zuzustimmen.« Die SPD verwies auf den Koalitionsvertrag, der eine Enthaltung in der Länderkammer vorsieht, sollte sich die Landesregierung nicht einig sein.

CDU-Fraktionschef Mike Mohring kommentierte die Entscheidung mit den Worten: »SPD und Grüne sind mit ihrem Versuch, einen Rest staatspolitischer Vernunft in der Thüringer Landesregierung durchzusetzen, grandios an der Linken und Bodo Ramelow gescheitert.« Das umstrittene Asylpaket solle Migranten und Flüchtlingen abschrecken: Wer ohne Asylgrund komme und keinen Schutz benötige, der habe in Deutschland keine Bleibeperspektive.

Rot-Rot in Brandenburg

In Brandenburg streitet die rot-rote Landesregierung dagegen weiter über die Asylrechtsreform. Im Kern geht es um die umstrittene Einstufung der Balkanländer Albanien, Kosovo und Montenegro als angeblich sichere Herkunftsländer, die eine Abschiebung von Flüchtlingen erleichtern soll. Während die Linken das vehement ablehnen und eine Enthaltung Brandenburgs im Bundesrat verlangen, will Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zustimmen. Über ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat wolle sich die Koalition erst am Donnerstag einigen, wenn der Bundestag über das Gesetz entschieden habe, sagte Regierungssprecher Andreas Beese am Dienstag.

»Ich hoffe natürlich, dass wir diesem Paket, dass für mich ein sehr notwendiges Paket ist, insgesamt zustimmen können.« Dagegen erklärte Linken-Fraktionschef Ralf Christoffers, die Enthaltung sei mit der SPD abgesprochen. Daran habe sich nichts geändert. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte am Dienstag erklärt, dass sich sein Land enthalten werde.

Nach Informationen aus Regierungskreisen will sich Woidke noch mit Linken-Landeschef Christian Görke abstimmen, der erst am Dienstag von einer Tagung des Internationalen Währungsfonds in Lima zurückkehren wolle. Erst dann werde eine Entscheidung fallen.

Die CDU kritisierte, die Regierung sei führungslos und handlungsunfähig. Man erwarte, dass Brandenburg in der Länderkammer dem Asylpaket zustimme, sagte Generalsekretär Steeven Bretz. Das Land würde sich bundesweit blamieren, sollte sich Woidke »wegducken und kuschen«.

Mit Blick auf die Linken, die entsprechend des Koalitionsvertrags bei unterschiedlicher Haltung der Partner auf einer Enthaltung beharren, meinte Bretz: »Was ist ein Koalitionsvertrag wert, der nicht dazu geeignet ist, die wesentlichen Fragen unserer Zeit zu beantworten?« Und weiter: »Wir brauchen Lösungen, die Menschen brauchen Antworten.« Aus Sicht der Christdemokraten stelle sich die Frage, ob Woidke den richtigen Partner habe, wenn es ihm nicht gelänge, diesen zu überzeugen.

Rot-Grün in Rheinland-Pfalz

Noch offen ist, wie das rot-grün regierte Rheinland-Pfalz abstimmen wird. »Wir verhandeln noch und erwarten, dass die große Koalition den Gesetzentwurf bis Freitag ändert«, teilte Grünen-Landtagsfraktionschef Daniel Köbler am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Mainz mit. Regierungssprecherin Monika Fuhr sagte, die endgültige Entscheidung werde am Donnerstag getroffen. Köbler hatte in der Koblenzer »Rhein-Zeitung«Bedingungen gestellt. So sollen Asylbewerber nach seiner Ansicht künftig nicht sechs Monate in Erstaufnahmestellen bleiben, sondern höchstens drei. Sachleistungen statt Taschengeld sollen nicht zur Pflicht werden und es soll keine Leistungskürzungen für Asylbewerber geben, die nicht zum festgelegten Termin ausreisen. In dem Asyl-Gesetzespaket geht es auch um die Einstufung von Albanien, Kosovo und Montenegro als »sichere Herkunftsstaaten«. Das Ziel ist, Asylbewerber aus diesen Ländern schneller in ihre Heimat zurückzuschicken. Köbler hält die Einstufung für falsche Symbolpolitik.

Grün-mitregierte Länder BaWü, Hamburg und Schleswig-Holstein

Die grün-mitregierten Länder Baden-Württemberg, Hamburg und Schleswig-Holstein haben angekündigt, im Bundesrat am Freitag für das Gesetzespaket der Bundesregierung zu stimmen. Agenturen/nd

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