Unbedenkliche Blütenstände gesucht
Für Bio-Honig gelten besonders strenge Kriterien - einen jungen Imker im Fläming hat genau das gereizt
Routiniert und ruhig, als ob er es schon jahrzehntelang so machte, hantiert der Imker an einem Bienenvolk. Ohne Handschuhe, nur das Gesicht mit einem Schleier geschützt. Konzentriert schiebt er schließlich den Rahmen wieder in das Bienenhaus, die Beute, klappt deren Deckel zu - und die Haube nach oben. Das Gesicht darunter gehört einem jungem Burschen. Gerade 20 Jahre ist Friedrich Rosenthal.
Das Imkern, sagt der junge Mann aus Schopsdort in Sachsen-Anhalt, betreibe er nun schon in vierter Generation. Vater Nils Rosenstahl hatte ihn dazu verleitet. 2009 entdeckte der damals 14-jährige Sohn auf dem elterlichen Hof einen alten Bienenwagen. Er begann, ihn aufzuarbeiten und wollte zugleich in die Materie einzutauchen: Wie leben Bienen? Was braucht man für die Imkerei? Welches Beutensystem eignet sich am besten?
Seit 1925 fungiert das Warenzeichen »Echter Deutscher Honig« als eine Art Reinheitsgebot für Imker - es wird nun 90 Jahre alt. Bis heute steht die Marke für strengere Qualitätskriterien als etwa Importhonige erfüllen müssen. Galt es einst, gegen Panschereien vorzugehen, gibt es heute neue Herausforderungen. Das belegen Tests, die Rückstände von Pestiziden fanden oder - in Importhonig - auch Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen.
Friedrich Rosenthal trat bald dem örtlichen Imkerverein seines Flämingortes bei. Er las Wälzer zur Imkerei, besuchte einen Lehrgang zu Bienenhaltung und Honigproduktion. Und schnell war für ihn klar: Es sollte Bio-Honig sein. Warum? Der Fläminger, der nach dem Abitur ein Freiwilliges Ökologisches Jahr anhängte und nun in Berlin Veterinärmedizin studiert, entgegnet selbstbewusst: »Um mich qualitativ vom Billighonig aus dem Supermarkt abzusetzen...« Das sei aber nur die halbe Wahrheit, fügt Rosenthal hinzu. Das Ganze habe auch viel mit der eigenen Weltsicht zu tun - Vater wie Sohn engagieren sich auch politisch bei den Grünen.
Im April 2012 hatten die Rosenthals die Anerkennung als ökologisch wirtschaftende Imkerei beantragt. Die Umstellung dauerte ein Jahr - eine Phase, in der sie jeden Schritt sauber dokumentieren mussten. So war Bienenvolk für Bienenvolk das komplette Wachs auszutauschen, damit keine Rückstände aus konventioneller Haltung in den künftigen Bio-Honig übergehen. Auch die Anstrichfarben für die Beuten mussten »ökologisch vollkommen unbedenklich« sein und die Magazinbeuten zudem aus Holz oder einem anderen Naturmaterial bestehen. Doch all das war noch überschaubar. Die eigentlichen Härten zeigten sich erst, nachdem man das Bio-Siegel an das Hoftor genagelt hatte. Denn wo findet man auch ausreichend unbedenkliche Blütenstände? Wie geht man ohne chemische Mittel gegen Schadmilben vor? Und was tun, wenn ein konventioneller Anrainer beim Ausbringen von Fungiziden oder Herbiziden die Windstärke unterschätzt hat?
Den Fläming mit seinem Waldreichtum sieht Friedrich Rosenthal indes als Standortvorteil: »Dort wird eben nicht gespritzt!« Als gute Quelle für Bio-Honig schätzt er die nahe Altengrabower Heide. Aber auch Wiesen und Weiden böten sich an - sofern man den Nutzer und dessen Bewirtschaftungsweise kenne. Und doch sei es in ihrer Region wegen des großflächigen Getreide- und Rapsanbaus nicht so leicht, stets geeignete Trachten zu finden, räumt er ein. Zum Glück gilt aber nach den Richtlinien des ostdeutschen Verbundes Ökohöfe e.V., dem sich Rosenthal anschloss, Bio-Honig bereits als solcher, wenn er zu 60 Prozent aus ungespritzten Ökokulturen geimkert wurde. Demnach dürfen bis zu zwei Fünftel der Ernte aus konventionell behandelten Trachten stammen, etwa »in Siedlungen, an Straßenrändern oder von konventionell bewirtschafteten Agrarflächen«. Freilich dürfe es im direkten Umkreis der Bienenstände dann keine Industriegebiete, Autobahnen, Mülldeponien geben.
All dies, sagt Rosenthal, werde - auf eigene Kosten - sehr pedantisch über eine EU-zertifizierte Kontrollstelle überwacht. Deren Mitarbeitern muss er bis zwei Wochen, bevor er eine Bienenweide ansteuert, den exakten Ort des Wanderwagens melden sowie in einer Karte alle Bestände im Umkreis von drei Kilometern einzeichnen. Auch mit einer unangekündigten Kontrolle muss er stets rechnen. Für den jungen Bio-Imker ist das aber kein Problem: »Ich bin da schon aus eigenem Antrieb sehr gründlich.«
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