Fremdenhass in Polens Stadien

Die überwiegend rechten Ultras nutzen Polens Erstligafußball als Bühne für ihre Tiraden gegen die Aufnahme von Flüchtlingen

  • Thomas Dudek
  • Lesedauer: 4 Min.

Knapp zwei Wochen lang war es relativ still in den Stadien der polnischen Liga. In der Länderspielpause schaute die ganze Nation gebannt auf die Fußball-Nationalmannschaft. Mit dem Wiederanpfiff der Ekstraklasa an diesem Freitag wird die Ruhe jedoch auch nicht enden. Denn quasi wöchentlich schließt die Liga ganze Tribünen und verurteilt die Vereine zu Geldstrafen.

Grund dafür ist der seit Wochen offen gezeigte Hass der polnischen Ultras gegen die nach Europa kommenden Flüchtlinge. »Ganz Legia schreit laut und deutlich: ›Nein zu der islamischen, wilden Horde‹«, schallte es bei einem Spiel von Legia Warschau von der Zyleta, der berühmt berüchtigten Rasierklinge, wie die Kurve der Legia-Ultras heißt. Dazu präsentierten sie Plakate, auf denen sie alle Flüchtlinge und Moslems mit der Terrororganisation Islamischer Staat gleichsetzten.

In Poznan wiederum skandierten Ultras des polnischen Meisters Lech Poznan: »Islamist, du dreckige Hure, uns Polen wirst Du niemals ebenbürtig sein. Das ganze Stadion singt mit uns: ›Schmeißt sie raus, die Flüchtlinge!‹« Dazu präsentierten sie ein Plakat, das auch für jeden Fernsehzuschauer gut sichtbar war. »Das ist für uns selbstverständlich, wir wollen keine Flüchtlinge in Polen«, hieß es darauf. In der für die EM 2012 errichteten Arena von Gdańsk zeigten die Ultras von Lechia das Plakat »Stoppt die Islamisierung Europas«, während die Ultras von Sląsk Wrocław gemeinsam mit denen von Jagiellonia Białystok beim Spiel der beiden Teams gemeinsam ihrem Hass auf die Flüchtlinge freien Lauf ließen. »Haut den Araber!« und »Raus mit den Flüchtlingen!«, hallte es aus beiden Kurven.

Es sind Szenen, die im absoluten Gegensatz zu dem stehen, was momentan in den meisten deutschen Stadien passiert. »Natürlich beobachten wir in Polen, wie sich in Deutschland nicht nur Fans sondern auch die Vereine in der Flüchtlingshilfe engagieren«, sagt Radosław Kossakowski. »In Polen wird die Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingen emotional, dafür überhaupt nicht sachlich geführt. Und das, was momentan in den polnischen Kurven abgeht, ist ein Spiegelbild nicht nur dieser Debatte, sondern auch der polnischen Gesellschaft«, so der Soziologe, der sich seit Jahren wissenschaftlich mit der polnischen Ultraszene befasst.

Wie heftig in dem östlichen Nachbarland über die Aufnahme von Flüchtlingen diskutiert wird, zeigt der tägliche Blick in die polnische Presse. Während linke und liberale Medien wie die »Gazeta Wyborcza« ausführlich über das Leid der Flüchtlinge berichten und sich für deren Aufnahme aussprechen, malen konservative Blätter und Sender Horrorszenarien an die Wand. Von einer »Invasion«, dem »Untergang des Abendlandes« und von der »Einschleusung von Terroristen« ist in den Berichten die Rede.

Verstärkt wird die Stimmung durch die Rhetorik der nationalkonservativen PiS, die sich bei den anstehenden Parlamentswahlen Ende Oktober große Chancen auf einen Erfolg ausrechnet. Selbst der allmächtige Parteivorsitzende Jarosław Kaczyński scheute sich während eine Parlamentsdebatte nicht zu behaupten, dass in Schweden bereits in 54 Bezirken die Scharia gelte.

Bei dieser Stimmungslage ist es nicht verwunderlich, dass viele nationalkonservative und rechte Politiker nicht nur Verständnis für die Auswüchse der Ultras haben, sondern in ihnen auch ein interessantes Wählerpotenzial sehen. Was auch der politischen Orientierung der polnischen Ultraszene geschuldet ist. »Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Polen keine einzige größere linke oder zumindest linksliberale Ultragruppierung. Die polnischen Ultras sind politisch konservativ bis rechts beheimatet«, erklärt Kossakowski. Doch alle Versuche der Parteien, in der Szene Fuß zu fassen, sind bisher gescheitert. »Parteipolitisch lassen sich die Ultragruppen nicht vereinnahmen. Parteien werden in den Kurven nicht geduldet«, sagt der Soziologe.

Diese verstehen vor allem den Fußball als ihre Bühne, obwohl bei den vielen Demonstrationen gegen Flüchtlinge, die seit Wochen in den polnischen Städten stattfinden, die »Kibole«, wie die Ultras geschimpft werden, unübersehbar sind. Besonders deutlich wurde es beim Europa League Heimspiel von Lech Poznań gegen Belenenses Lissabon. Aus Protest gegen die Vereinbarung der in den europäischen Wettbewerben vertretenen Vereinen, von jedem verkauften Ticket an den ersten zwei Spieltagen einen Euro den Flüchtlingen zu spenden, riefen die Ultras zum Boykott der Partie auf. Mit Erfolg. Lediglich 8000 Zuschauer kamen ins Stadion, vor dem die Ultras fremdenfeindliche Plakate präsentierten.

Um zumindest selber solch ein Desaster zu vermeiden, ist Legia Warschau seinen Ultras entgegenkommen. Auch deshalb, weil der Verein in der vergangen Saison von der UEFA zu zwei Spielen vor leeren Rängen verurteilt wurde. Die Spendensumme aus der Partie gegen den SSC Neapel, die Legia 0:2 verlor, überwies der Verein an polnischstämmige Flüchtlinge aus der Ostukraine. Einer überschaubaren Gruppe, die laut offiziellen Angaben lediglich 250 Menschen umfasst.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.