Zwang zur Kaderschmiede
Der Frauen-Fußballklub USV Jena hat finanzielle Probleme - ein Anschluss an Carl Zeiss ist nicht mehr ausgeschlossen
Am vergangenen Wochenende trafen auf dem Jenaer Ernst-Abbe-Sportfeld zwei Welten des Frauenfußballs aufeinander. Die eine: der USV Jena, Vorjahresachter, Abstiegskandidat. Die andere: der FC Bayern München, deutscher Meister, Tabellenführer. Aus Jenaer Sicht ein sportlicher Höhepunkt, der immerhin 800 Zuschauer anlockte. Das waren mehr als üblich, obwohl mit nichts anderem als einer klaren Niederlage der Heimmannschaft zu rechnen war. Manch einer befürchtete gar ein Debakel wie zum Saisonauftakt, als Jena gegen Vizemeister Wolfsburg mit 0:8 seine höchste Bundesligapleite kassierte. Doch dann kam es ganz anders: Die Thüringerinnen trotzen München ein 1:1 ab und sorgten für unerwarteten Jubel der Fans.
Die Bayern gehören seit mehreren Jahren zur Bundesligaspitze und gewannen in der vergangenen Saison den Titel. Jena arbeitete sich dagegen erst langsam nach oben, stieg 2008 in die 1. Liga auf und kämpft seitdem immer gegen den Abstieg. Zieht man die finanziellen Differenzen hinzu, wird die Überraschung gar zur Sensation. Der Jahresetat der Bayern wird auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Der USV muss derweil mit dem wenigsten Geld aller Erstligisten auskommen. Der Etat beträgt 700 000 Euro und liegt eine halbe Million unter dem Ligadurchschnitt.
Unter den finanziellen Einschränkungen leidet vor allem Trainer Daniel Kraus, der sich seinen Wunschkader nur schwer zusammenstellen kann. Aber der 31-Jährige, der fünf Jahre lang Torwart beim FC Carl Zeiss Jena war, dann als Torwarttrainer beim USV einstieg und seit 2012 hauptverantwortlich für das Frauenteam ist, hat sich mit dieser Situation abgefunden: »Es ist eine Herausforderung, die wir bisher gut gemeistert haben.« Kraus hofft, dass der neue Präsident Falk Buchmann, der seit März die Geschicke des USV leitet, Ruhe in den Verein bringt, »damit wir wenigstens Planungssicherheit haben und die Saison durchfinanzieren können«.
Für den Übungsleiter ist es nicht einfacher geworden, aus seinen Spielerinnen ein Team zu formieren. Der Kader hat sich in der Sommerpause stark verändert: elf Abgänge, zwölf Neuverpflichtungen. Zudem ist es ein sehr internationales Team. Knapp die Hälfte der Jenaer Fußballerinnen stammt aus dem Ausland. Unter den zahlreichen Herkunftsländern befinden sich auch solche, die im deutschen Fußball recht unüblich sind: Ria Percival und Amber Hearn kommen aus Neuseeland, die in Kalifornien geborene Jacqueline Cruz spielt für die Nationalmannschaft von Puerto Rico.
Die große Konstante ist Julia Arnold, Torschützin gegen die Bayern, die seit 2006 im Kader des Vereins aus der thüringischen Studentenstadt steht. Ihrer Ansicht nach gibt es bei der Mannschaftsbildung noch Probleme: »Außerhalb des Platzes verstehen wir uns sehr gut. Aber auf dem Platz klappt es mit der Verständigung noch nicht so, wie wir uns das wünschen.«
Dabei können sie in Jena froh sein, überhaupt noch in der 1. Bundesliga zu spielen. Um ein Haar wäre der USV pleite gegangen. Es fehlten 200 000 Euro. Hinzu kamen Querelen mit dem ehemaligen Geschäftsführer Kai-Uwe Hirsch, der das Defizit fälschlicherweise nur auf 100 000 Euro beziffert hatte und dann ganz plötzlich verschwand. Erst bat er um eine dreimonatige Auszeit, um danach - Ende Januar - seinen Job gänzlich zu kündigen. Aus persönlichen Gründen, wie es hieß.
Hirschs Nachfolger als Geschäftsführer wurde Jens Roß. Außerdem wurde Falk Buchmann zum neuen Präsidenten gewählt. Die beiden standen vor der schwierigen Aufgabe, den Verein zu konsolidieren und zukunftsfähig zu machen. Ihr strikter Sparplan sah zunächst eine Haushaltssperre vor. Außerdem entwarfen sie das Projekt »FF USV 2020«. Ziel des Vereins ist es demnach, bis 2020 eine Erhöhung des Etats auf 900 000 Euro zu schaffen, auch wenn das immer noch unterdurchschnittlich wäre.
Zudem soll der Nachwuchsbereich gefördert werden. Der USV will sich zur Kaderschmiede für die Region machen. »Wir haben gar keine andere Wahl und müssen uns zum Ausbildungsverein machen, weil wir nicht genug Geld haben, um uns teure Spielerinnen zu leisten«, sagt Falk Buchmann.
Zudem hat er sich eine Strategie überlegt, um neue Sponsoren zu gewinnen. Der Plan klingt simpel: Man kokettiert mit der ostdeutschen Herkunft, ist doch der USV neben Turbine Potsdam der einzige Frauen-Bundesligist aus den neuen Bundesländern. Die Suche nach Partnern gestaltet sich trotzdem schwierig. »Wir haben nicht die Kraft, dieses Alleinstellungsmerkmal immer wieder publik zu machen. Daher sind wir auf die Hilfe der Medien angewiesen. Doch viele von ihnen schauen gar nicht auf den Frauenfußball. Für sie ist Fußball immer noch Männersache«, beklagt Buchmann.
Ohne Hilfe aus dem Westen geht es ohnehin nicht. Die fehlenden 200 000 Euro holte man sich beim belgischen Investor Roland Duchatelet, ein Mann, der in Jena nicht unbekannt ist. 2013 hatte er sich für zwei Millionen Euro 95 Prozent der Kapitalanteile an der FC Carl Zeiss Jena Fußball-Spielbetriebs GmbH gesichert. Seitdem unterstützt er den ehemaligen DDR-Oberligisten und heutigen Regionalligisten mit weiteren Darlehen. Außerdem will Duchatelet den Umbau des Ernst-Abbe-Sportfeldes, das auch der USV für seine Heimspiele nutzt, in ein zweitligataugliches Fußballstadion vorantreiben und die Stadt als Eigentümer mit mindestens sieben Millionen Euro unterstützen.
Vielleicht wird auch der USV bald gänzlich am Tropf des Belgiers hängen. Der Verein erwägt eine Angliederung an den FC Carl Zeiss. Schließlich steckt der Frauenfußball mitten im Strukturwandel. »Immer mehr Männervereine, die viel Geld haben, investieren in den Frauenfußball, weil es schick ist«, so die Beobachtung des Präsidenten Buchmann. Schon jetzt gibt es sieben Bundesligisten, die Abteilungen von Männerprofiklubs sind: FC Bayern München, VfL Wolfsburg, Bayer 04 Leverkusen, 1899 Hoffenheim, SC Freiburg, 1. FC Köln und Werder Bremen. Bremen liegt als Aufsteiger derzeit sogar vor Ex-Meister Potsdam. So deutet viel darauf hin, dass es reine Frauenvereine in Zukunft schwer haben werden.
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