Der Drohnenpilot und die Tarnmittelfrau
Es kommt, wie es kommen musste: Der NSA-Untersuchungsausschuss stößt immer öfter auf Verfehlungen des BND
Fünf Jahre und fünf Tage lang hat Brandon Bryant Menschen umgebracht. Der einstige Staff Sergeant der US Air Force war der erste Zeuge im NSA-Untersuchungsausschuss. Das Parlamentsgremium hat am Donnerstag seine inzwischen 67. Sitzung abgehalten.
Mit 19 Jahren hat sich Bryant 2005 von der US-Lufwaffe werben lassen. Die bildete den kleinen, an sich fröhlichen Mann zum Drohnen-Operator aus. Auf einen Stützpunkt im Bundesstaat Nevada saß er in einem High-Tech-Container, sein Platz war rechts neben dem Piloten, Bryant steuerte die Kamera des Flugroboters und visierte per Laser die Ziele an. Er »flog« über Irak, Afghanistan, Pakistan, Somalia und über Jemen. Für die US-Soldaten, sagt er in Berlin, gelte der Befehl, dass alle männlichen Personen, die mindestens zwölf Jahre alt sind, legitime Ziele abgeben. Man habe »grob geschätzt« und wenn ein Opfer jünger war, dann sei das nicht tragisch gewesen, denn man ging von dem Grundsatz aus: Man muss das Gras mähen, bevor es wächst. Irgendwann wären aus Kindern ohnehin Terroristen geworden...
Was hat Deutschland damit zu tun? Verschiedenes. Ohne die Relaisstation auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein würde keine US-Drohne fliegen, betonte der Ex-Soldat, der seinem Gewissen folgend schließlich den Dienst quittierte. Das Wissen ist nicht Hörensagen, vor jedem Einsatz habe er in Ramstein anrufen müssen, um sich zu vergewissern, dass die Leitung zu den Fluggeräten stabil stand. Die Kommunikation sei über ein Glasfaserkabel aus Deutschland in die USA nach Langley, wo die CIA ihr Hauptquartier hat, gelangt. Die Bedeutung von Ramstein habe er auch an Dokumenten ablesen können, mit denen er in den USA Besucher seines Stützpunktes über das Drohnensystem unterrichtete.
Neben dem Piloten und ihm seien noch zahlreiche andere US-Soldaten an so einem Drohneneinsatz beteiligt gewesen. Kopf war stets ein »Kunde«. Er bestimmte den Auftrag und auch, wann die Raketen abgefeuert wurden. Diese »Kunden« - so meint Bryant im Ausschuss - seien keine Air-Force-Leute gewesen. CIA oder NSA? Ja, denkbar, doch mit denen habe er nie etwas zu tun gehabt.
Ein sogenannter Screener habe die jeweilige Zielperson optisch als die Gesuchte bewertet. Obwohl die Kamerabilder brillant waren, konnte er keine Gesichtserkennung durchführen. Die aufgefassten Opfer wurden lediglich anhand ihrer Kleidung identifiziert. Ein weiterer Soldat gab Handydaten ein. Beispielsweise bestimmte Nummern. Die Drohne, die den gesamten Funkverkehr im Einsatzgebiet erfasste, suchte speziell nach diesen SIM-Karten. Sie provozierte dabei, dass sich die gesuchten Handys bei ihr einloggten, so als wäre sie ein ganz normaler Mobilfunkmast. Und damit war das Schicksal dessen, der das Handy bei sich trug, besiegelt.
Die Handy- oder E-Mail-Daten könnten durchaus von ausländischen Geheimdiensten an die US-Stellen übermittelt worden sein, meinte der Drohnen-Operator. Bryant erinnerte sich an den Fall zweier Neuseeländer, deren Handydaten von ihrer eigenen Regierung an US-Dienste weitergegeben worden waren. Die Männer waren im Mittleren Osten unterwegs - bis sie von einem Luftschlag eliminiert wurden. Später bemerkte man den Irrtum, die beiden waren keine Dschihadisten, sondern einfache Lehrer.
Haben auch deutsche Dienste solche Handydaten übermittelt? Auch wenn die nach Bryant aufgerufene Zeugin sich bemühte, weniger als gar nichts preiszugeben, ist es wahrscheinlich. Frau K. war zwischen 2008 und 2014 Referatsleiterin beim BND - auch wenn ihre Dienststelle als »Hauptstelle für Befragungswesen« agierte. Die HBW war ein »Tarnmittel« des deutschen Auslandsgeheimdienstes, ihre Mitarbeiter stellten sich als Dienststelle im Bereich des Kanzleramtes vor. Deren Chefin K. musste am Donnerstag zum zweiten Mal vor dem Ausschuss erscheinen. Eine dritte Ladung ist notwendig. Denn sie ist wenig kooperativ. Ein-Wort-Antworten sind ihre »Spezialität«. Bisweilen schafft sie auch einen ganzen Satz, der dann lautet: »Ich erinnere mich nicht.«
Bis zu einhundert Befrager machten sich über Asylbewerber her, forschten sie aus. Und dabei kooperierte man munter mit dem ob seiner rüden Methoden bekannten US-Militärgeheimdienst DIA. Oft führte man die Befragungen gemeinsam durch. Als gesetzliche Grundlage nannte K. das BND-Gesetz. Man gab es ihr, sie sollte die Stelle heraussuchen. Die Folge war hilfloses Gestammel. Das sei eben »tradiert« gewesen.
In der Folge kam heraus, dass die »integrierten Partner« der DIA, mit denen man Jahrzehnte vertrauensvoll zusammengearbeitet habe, sich die Befragungsopfer aussuchen konnte. Der BND leitete die Wünsche an das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration weiter, das schob entsprechende Akten zum Geheimdienst zurück. Doch man habe ja nur so allgemein nach der Stimmung in den Herkunftsländern gefragt, behauptet die Geheimdienstfrau. Wonach genau? »Beispielsweise haben wir Umweltinformationen gesammelt.« Staunen im Saal. Die Erklärung von Frau K.: »Na ja, also ob Brunnen sauber sind oder ähnliches.«
Wurden bei den »Gesprächen« mit den Schutzsuchenden Handynummer oder ähnliche Daten abgefragt? Nein, sagte Frau K. Dann sagte sie, nach ihrem Kenntnisstand sei »das nicht erfolgt«. Mehrfach auf ihre Wahrheitspflicht hingewiesen, murmelte sie, es könne sein, dass »im Rahmen des Auftrages... auch möglicherweise Telefonnummern erhoben worden.«
Referatsleiterin K. bot ein erbärmliches Bild. Möglicherweise ist sie noch immer frustriert, dass das »Tarnmittel« HBW aufflog und abgeschafft werden musste. Schuld war ein Bericht in der »Süddeutschen Zeitung«. Zitiert wurde darin ein US-Beamter, der behauptete, der BND sammle bei Flüchtlingsbefragungen Handynummern, mit denen US-Drohnen gezielte Killereinsätze flogen. Die Aufregung beim BND verstärkte sich, als Jan Korte von der Linksfraktion im Parlament nachfragte. Die DIA stehe unter »Schock« und sei »verärgert«, schrieb Frau K. an eine Vorgesetzte.
Doch das Ende der HBW war besiegelt. Wie die Ausforschung jetzt läuft, sei nicht Untersuchungsgegenstand, beschied das Kanzleramt.
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