Schweiz erlebt einen »Rechtsrutsch«
Rechtspopulistische SVP gewinnt etwa ein Drittel der Parlamentssitze / Sozialdemokratische Partei wird zweitsärkste Kraft / Rechtsliberale FDP legt ebenfalls deutlich zu / Ausländer- und Flüchtlingspolitik waren bestimmende Themen im Wahlkampf
Genf. Angesichts der europaweiten Flüchtlingskrise haben die Rechtspopulisten bei der Parlamentswahl in der Schweiz stark zugelegt. Die Schweizerische Volkspartei (SVP), die im Wahlkampf gegen Einwanderung Stimmung machte, konnte laut Medienberichten rund ein Drittel der Parlamentssitze für sich gewinnen. Damit konnte die SVP ihren Rekord aus dem Jahr 2007 von 28,9 Prozent noch einmal überbieten und ihre Führungsposition ausbauen.
Die rechtsgerichtete SVP hatte im Wahlkampf darauf gesetzt, sich als Barriere gegen eine Zunahme der Einwanderung zu profilieren. Bei den Wahlen 2011 hatte die Partei 26,6 Prozent der Stimmen erhalten. Schon im Vorfeld der Wahl vom Sonntag hatten Beobachter jedoch vermutet, dass die anti-europäische Partei sogar ihren Rekord von 2007 noch einmal übertreffen könnte.
Nun kam die Anti-EU-Partei SVP nach Angaben Schweizer Nachrichtenagentur SDA auf 64 von 200 Sitzen im Nationalrat. Sie konnte somit gegenüber 2011 elf Sitze hinzugewinnen und sogar ihren Rekord von 62 Sitzen im Jahr 2007 noch einmal überbieten. Den Angaben lagen endgültige Ergebnisse für 13 von 26 Kantonen und Prognosen für elf weitere Kantone zu Grunde.
Als praktisch sicher galt den Medienberichten zufolge, dass Magdalena Martullo-Blocher in Graubünden einen Parlamentssitz erobert hat. Sie ist die Tochter des wohl umstrittensten Politikers der Schweiz, Christoph Blocher. Der SVP-Vizepräsident war von 2004 bis 2007 in der Regierung, wurde dann aber wegen seiner extremen Positionen und seines konfrontativen Stils abgelöst.
Zulegen konnten den vorläufigen Ergebnissen und Prognosen zufolge auch die rechtsliberale FDP, die fünf Sitze mehr und somit insgesamt 35 erhalten dürfte. Die zweitstärkste Kraft in der Schweiz, die Sozialdemokratische Partei (SP), verliert demnach drei Sitze und käme noch auf 43 Sitze. Auch die Grünen verloren mehrere Sitze.
Neu zu besetzen waren bei der Wahl am Sonntag die 200 Mandate des Nationalrats und die Mandate der zweiten Parlamentskammer, des Ständerates. Zur Stimmabgabe aufgerufen waren rund fünf Millionen Bürger der Alpenrepublik. In der Schweiz ist es üblich, dass ein Großteil der Wähler von der Möglichkeit der Briefwahl oder der Stimmabgabe im Internet Gebrauch macht.
Die neue Regierung, der Bundesrat, wird im Dezember gewählt - wobei es in der Schweiz Tradition ist, dass die großen Parteien gemeinsam die Regierung bilden. Dafür kommen also auch andere Kräfte als die SVP in Frage.
Die Beteiligung an den Parlamentswahlen liegt traditionell nur bei etwa 50 Prozent, niedriger als bei vielen Referenden. AFP/nd
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