Ohne Geld kein Theater Nordost

Stralsund knüpft Zustimmung zur Fusion der Spielstätten an finanzielle Zusagen des Landes

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Die in Mecklenburg-Vorpommern geplante Theaterreform ist noch immer Gegenstand von Kontroversen. Ein aktueller Beschluss der Stralsunder Bürgerschaft dürfte dem Kultusminister nicht gefallen.

Der letzte Akt im Stück »Mecklenburg-Vorpommern bekommt ein Staatstheater Nordost« ist noch immer nicht gespielt. Vielleicht hatte Landeskultusminister Mathias Brodkorb (SPD) erwartet, in seinem Fusionskonzert würde die Bürgerschaft Stralsund jetzt einen harmonischen Schlussakkord setzen - indem sie Ja sagt zum Zusammenschluss des Theaters Vorpommern mit der Theater- und Orchestergesellschaft Neubrandenburg/Neustrelitz. Doch die Entscheidung des Stadtparlaments werden dem Ressortchef eher schrill in den Ohren tönen, denn: Die Stralsunder knüpfen ihre Zustimmung an erhebliche Geldforderungen.

So soll das Land künftig jährlich 1,4 Millionen Euro zum Ausgleich eines strukturellen Defizits im Theaterbereich zahlen. Auch möge es jene 800 000 Euro tragen, die bislang die Hansestadt Stralsund in jedem Jahr für Sanierungsarbeiten und Nutzung von Theaterräumen aufbringen muss. Von Minister Brodkorb dürfte kurzfristig eine Reaktion zu erwarten sein. Hat er doch den Kommunen vorgegeben, sich bis Ende Oktober zu äußern. Befürchtet wird in den Spielstätten, dass bei einer Verschmelzung 65 von derzeit 485 Arbeitsplätzen verloren gehen.

Als Theater-Mitgesellschafter hatte der Kreistag Vorpommern-Rügen dem Zusammenschluss bereits zugestimmt. Ein Gleiches taten die Bürgerschaft der Stadt Greifswald sowie die Kulturausschüsse des Kreises Mecklenburger Seenplatte und auch die entsprechenden Gremien der Städte Neubrandenburg und Neustrelitz. Sie alle haben eine Zielvereinbarung mit dem Land in punkto Fusion akzeptiert. Nun aber Stralsund: Lehnt Brodkorb die Forderungen aus der Hansestadt ab, könnte das seine Pläne empfindlich stören. Allerdings würde er dann höchstwahrscheinlich auch nicht jene Zuschüsse zahlen, die er den Theatern für Baumaßnahmen versprochen hat, sofern sie seinen Wünschen zustimmen. Mit über 40 Millionen Euro winkt der Minister. Im Fall »Staatstheater Nordost« würden zehn Millionen Euro nach Greifswald fließen, 6,7 Millionen nach Neustrelitz.

Bekanntlich möchte die SPD/CDU-Landesregierung auch in anderen Regionen neue Theater-Kooperationen durchsetzen. Und so will Brodkorb aus dem Bau-Fördertopf 25 Millionen Euro nach Rostock und fünf Millionen nach Parchim fließen lassen - Wohlverhalten in punkto Fusion vorausgesetzt. Da mag das Verhalten der Stralsunder Bürgerschaftsmehrheit dem Minister wohl kaum behagen. Erfreut über den Beschluss der Hansestädter zeigten sich dagegen die Landtagsgrünen. Ihr Fraktionschef Jürgen Suhr kommentierte: Die Stralsunder Mehrheit habe deutlich gemacht, »dass sie sich von Kulturminister Brodkorb nicht erpressen lässt«.

Wenige Tage vor der Entscheidung, sagt Suhr, habe der Minister mit zehnprozentigen Kürzung der Landesmittel gedroht, wenn die Bürgerschaft nicht nach seinem Willen abstimmen sollte. Das sei »völlig inakzeptabel«, so der Fraktionschef, der dieses Amt auch in der Stralsunder Bürgerschaft ausübt. Und: »Unabhängig davon, dass eine solche Mittelkürzung aus meiner Sicht rechtlich gar nicht durchsetzbar wäre, ist eine derartige Drohgebärde auch schlechter politischer Stil.«

Zu den Kritikern der Fusionspläne Brodkorbs zählt Operndirektor Wolfgang Lachnitt. Er verlässt die Theater- und Orchestergesellschaft Neubrandenburg zum Ende der laufenden Spielzeit im kommenden Jahr. Seinen Vertrag, der seit 2012 besteht, will er nicht verlängern.

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