Kunst statt Krawall

Schweizer Nationalisten sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen

  • Steffen Klatt, Zürich
  • Lesedauer: 3 Min.
Die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei hat mit den Wahlen vom Sonntag einen Generationenwechsel vollzogen. Auf die Polterer folgen die Macher.

So stark ist noch nie eine Partei in der Schweiz gewesen, seit 1919 das Verhältniswahlrecht eingeführt worden ist: Die Schweizerische Volkspartei (SVP) erzielte am Sonntag laut dem Endergebnis 29,5 Prozent der Stimmen und übertrifft damit ihren eigenen bisherigen Rekord von 2007 (29,0 Prozent). Damit kann sie 65 Mitglieder in den 200-köpfigen Nationalrat entsenden. Vor acht Jahren waren es drei weniger gewesen.

Das Wahlergebnis verdeckt einen anderen Erfolg: Die Rechtspopulisten haben in aller Stille einen Generationenwechsel vollzogen. Vorbei die Zeit der Polterer, die von einer Dorfbeiz zum nächsten Viehmarkt gezogen sind und gegen die ausländischen »Kriminaltouristen« gewettert haben. Die heutigen SVP-Vertreter sind distinguierte, erfolgreiche Geschäftsleute.

Zum Beispiel Magdalena Martullo-Blocher. Die Tochter von Christoph Blocher, des Übervaters der Rechtspopulisten, führt dessen EMS-Chemie und hat sich nun auch in den Nationalrat wählen lassen. Die 46-Jährige lebt zwar im Kanton Zürich, ihr Unternehmen sitzt aber im Kanton Graubünden. Dort ist sie angetreten und hat prompt einen Sitz gewonnen - eine Premiere. »Ich bin die größte Unternehmerin im Kanton«, erklärt sie ihren Erfolg. Ihrem Geld will sie das nicht verdankt haben. »Der Wahlkampf war nicht teuer«, sagte sie dem Schweizer Fernsehen. Ein paar Plakate, und dann eben viele abendliche Auftritte in den Dorfbeizen.

Zum Beispiel Roger Köppel. Der einstige Chefredakteur der »Welt« in Berlin hatte 2006 die einst linksliberale »Weltwoche« übernommen - mit wessen Geld, ist nicht bekannt - und daraus das intellektuelle Kampfblatt der Rechtspopulisten gemacht. Pünktlich zu den jetzigen Wahlen trat er der SVP bei und als Kandidat an. Sehr zum Unwillen der Parteibasis. Die verwies ihn auf einen der hinteren Plätze. Doch mit 178 000 Stimmen war der 50-Jährige am Sonntag so erfolgreich wie kein anderer Kandidat im Land. Zu seinen ersten Aufgaben als Abgeordneter zählt Köppel nun den Einsatz für eine stärkere Beteiligung seiner Partei an der Regierungsmacht. Zudem wolle er sich für die Verwirklichung seiner Wahlkampfziele engagieren, wie er dem Sender SRF sagte: »Unabhängigkeit von der Europäischen Union, Stärkung der direkten Demokratie, die Volksrechte dürfen nicht mehr mit den Füßen getreten werden, kein weiteres Staatswachstum. Und ich stehe ein für die Neutralität.«

Zum Beispiel David Zuberbühler. Der Geschäftsführer im Schuhgeschäft seines Vaters ist das Urbild des Schweizer Gewerblers: arbeitsam, gemütlich, in Vereinen aktiv, verheiratet, zwei Kinder und ein Hund. Nun hat »dä Zubi«, wie er sich nennen lässt, den rechtsliberalen Freisinnigen den Nationalratssitz im Kanton Appenzell-Ausserrhoden weggenommen. Mit Jahrgang 1979 wird er in der großen Kammer zu den jüngeren Mitgliedern gehören.

Die SVP ist in der gutbürgerlichen Mitte des Landes angekommen - und so will sie auch wahrgenommen werden. Vorbei die Zeiten, in denen Messerstecher auf Plakaten marschieren oder die Schweizer als dumme Schafe dargestellt werden, die sich von den Ausländern ausnehmen lassen. In diesem Wahlkampf platzierte die SVP lustige Videos, in denen schöne Lieder gesungen werden mit gehaltvollen Zeilen wie: »Wo ein Willy ist, da ist ein Weg« - Willy ist ein Hund.

Per Video wurde auch mitgeteilt, was mit der Generation der Polterer geschehen soll: Christoph Blocher schnippelte darin am Rasen in seinem Garten und sprang darauf in seinen Swimmingpool - so wie es jeder gut betuchte Großvater gerne täte. Der Übervater war im Wahlkampf denn auch vor allem als Mäzen präsent. Im Museum Oskar Reinhart in Winterthur lässt er Werke von Ferdinand Hodler, Albert Anker und Giovanni Giacometti aus seiner Sammlung zeigen. Das einst renommierte Kunstmagazin »Du« feiert ihn in ihrer aktuellen Ausgabe als Sammler ab.

Die Botschaft ist klar: Die SVP will künftig auch als intellektuelle Mitte des Landes wahrgenommen werden. Gelingt ihr das, könnte der Wahlsieg vom Sonntag nur der Anfang sein.

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