Ein Jahr Pegida-Hetze
Seit Herbst 2014 säen die Rassisten Hass - mit Folgen, wie die Kölner Messerattacke zeigt
»OB Jung wir kriegen Dich« und »No Asyl« auf einen Container in Leipzig geschmiert. Eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Thüringen unter Wasser gesetzt und vorerst unbewohnbar gemacht. In Dresden ein linkes Hausprojekt angegriffen. Die jüdische Gemeinde in Halle schließt wegen der dortigen »Montagsdemo« und eines AfD-Aufmarschs am Mittwoch ihr Gemeindehaus und rät ihren Mitgliedern, sich aus Sicherheitsgründen fernzuhalten.
Vier Meldungen vom Montag, dem ersten Jahrestag der Pegida-Bewegung, die von Dresden ausgehend (und im Bund mit der AfD) »besorgten Bürgern«, Nazis, Verschwörungstheoretikern und Hooligans eine wirkmächtige Plattform bietet und Stichworte für verbale und physische Attacken liefert. »Der Erfolg von Pegida beruht auf einer Mischung aus Rassismus, antisemitischen Verschwörungsideologien und Anti-Establishment-Rhetorik. Dabei wurden im Laufe des ersten Jahres bei Pegida neben klassischen rechtspopulistischen auch immer wieder rechtsextreme Versatzstücke sichtbar«, so Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung.
Nach dem Messerangriff auf die mittlerweile zur Kölner Oberbürgermeisterin gewählte Henriette Reker - und während zum Beispiel Bayerns Innenminister weiter rhetorisch kaum von Pegida unterscheidbar gegen Flüchtlinge hetzte - äußerte sich am Montag zumindest ein Teil der Politiker klar zur Mitverantwortung von Pegida für den Hass auf Migranten und Politiker, die für »Überfremdung« und »Volkstod« verantwortlich gemacht werden. »Wer Galgen und Hitlerbärten hinterherläuft, für den gelten keine Ausreden mehr«, erklärte Justizminister Heiko Maas (SPD). »Pegida sät den Hass, der dann zur Gewalt wird.« Für den Angriff auf Reker hätten Mitglieder von AfD und Pegida, »die fremdenfeindliche Parolen in die Welt posaunen« und Drohbriefe gegen Politiker schreiben, den »Boden bereitet«, so die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, am Montag im ARD-»Morgenmagazin«. Dem RBB-Inforadio sagte LINKE-Chefin Katja Kipping, Pegida, AfD und Co. hätten »ganz klar eine gesellschaftliche Stimmung mit angeheizt, die dann genau zu solchen erschreckenden Übergriffen führt«.
Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel, der selbst eine Diskussionsveranstaltung mit Pegida-Anhängern besucht hatte, versuchte sich an einem klaren Statement. »Lange war es nur unanständig, was AfD und NPD treiben. Jetzt wird es gefährlich. Müssen rechte Brandstifter in die Schranken weisen! Köln«, ließ Gabriel über Twitter wissen - und erntete dafür Spott und Kritik. Tenor: Tägliche Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte, Flüchtlingshelfer und Linke sind also bisher nicht gefährlich, sondern nur unanständig? Seiten 5 und 17
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.